ESM entfacht Schuldenstand-Debatte

Regling rückt griechische Lasten in anderes Licht und ebnet damit neue Wege für Hilfen an Hellas

ESM entfacht Schuldenstand-Debatte

In der Kontroverse über den weiteren Umgang der Euro-Partner mit Griechenland hat der Chef des Euro-Rettungsschirms, Klaus Regling, eine Debatte angestoßen, die neue Optionen eröffnet. Er stellt die methodische Basis für die Bewertung der Schuldentragfähigkeit in Frage. Griechenland stehe letztlich viel besser da, als es der bloße Blick auf die Schuldenquote nahelege.fed Brüssel – Der Managing Director des Euro-Schirms ESM beurteilte in einem Gespräch mit dem “Wall Street Journal” die ausschließliche Orientierung am Verhältnis von Schuldenstand und Wirtschaftsleistung als wenig aussagekräftig. “Es reicht nicht aus, ein Ziel für eine bestimmte Schuldenquote zu setzen, das ist bedeutungslos”, betont Regling. Schließlich mache es doch einen “riesigen Unterschied”, ob sich ein Land ständig neu am Markt für 6 % refinanzieren müsse – oder ob ein Staat wie Griechenland den Großteil seiner Verbindlichkeiten sowieso durch den Euro-Schirm für die nächsten 30 Jahre zu einer äußerst günstigen Finanzierung von 1,5 % sicher habe. Die langen Laufzeiten und die niedrigen Zinsen, die der EFSF Hellas biete, entsprächen in ihrer Wirkung ja bereits einem großen Schuldenschnitt – allerdings ohne Haushaltsbelastung der Kapitalgeber. Regling stellte auch die zehnjährige Ausrichtung beim Tragfähigkeitskriterium auf den Prüfstand. Der Internationale Währungsfonds (IWF) stelle Kredite oft für zehn Jahre zur Verfügung, aber die Hilfen der Euro-Staaten hätten Laufzeiten von 30 Jahren. “Deshalb ist nicht so wichtig, was in zehn Jahren passiert.”Er signalisierte, dass er einen Schuldenschnitt nicht für notwendig halte. “Ich bin überrascht, wenn ich höre, dass einige Leute sagen, es müsse einen Schuldenerlass geben”, erklärte der ESM-Chef. Denn es sei bislang überhaupt nicht klar, dass eine solche Maßnahme zwingend sei.Die Aussagen von Regling, der immerhin an zentraler Stelle am Euro-Rettungsmanagement beteiligt ist, dürften der Debatte eine entscheidende Wende geben. Bisher nämlich stecken Europas Spitzenpolitiker in einem Dilemma fest. Einerseits erwarten sie einen zusätzlichen Kapitalbedarf Griechenlands ab Sommer nächsten Jahres. Andererseits würden weitere Hilfskredite die Schuldenquote des Landes noch höher steigen lassen. Unter den bisherigen Vorgaben, vor allem des IWF, wäre das nicht hinnehmbar. Denn Notkredite dürfen nur ausgereicht werden, sofern die Schuldentragfähigkeit gewährleistet ist – und die ist bislang an den Schuldenstand in den nächsten zehn Jahren gekoppelt. Würden die Geldgeber methodische Änderungen vornehmen und die Schuldentragfähigkeit nicht mehr allein an die Quote binden, sondern auch vereinbarte Laufzeiten und Zinsen berücksichtigen, könnten sie Griechenland weitere Milliarden leihen, ohne in Widerspruch zu ihren Kriterien zu geraten.Die EU-Kommission erklärte, sie stehe einer “Verbesserung der methodischen Basis aufgeschlossen gegenüber”. In anderen Worten: An der EU-Behörde wird eine Neugewichtung zur Feststellung der Schuldentragfähigkeit eines Landes wohl kaum scheitern.—– Wertberichtigt Seite 8