Coronakrise

EU-Budgetregeln bleiben auch 2022 außer Kraft

Die EU-Kommission hat davor gewarnt, die fiskalischen Hilfsmaßnahmen im Zuge der Coronakrise zu früh wieder zurückzufahren.

EU-Budgetregeln bleiben auch 2022 außer Kraft

ahe Brüssel

Die EU-Kommission hat davor gewarnt, die fiskalischen Hilfsmaßnahmen im Zuge der Coronakrise zu früh wieder zurückzufahren. Die Unterstützung solle vielmehr in diesem und auch im nächsten Jahr noch fortgesetzt werden, betonte Vizepräsident Valdis Dombrovskis in Brüssel. Die Kommission selbst will diesen Kurs unterstützen und die sogenannte Allgemeine Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspaktes auch 2022 noch anwenden. Die ansonsten üblichen Verschuldungs- und Defizitregeln bleiben damit vorerst ausgesetzt.

Dombrovskis begründete diesen Schritt damit, dass wohl erst Mitte nächsten Jahres wieder das Niveau der Wirtschaftstätigkeit in der EU beziehungsweise im Euroraum von Ende 2019 erreicht wird (siehe Grafik). Dies gilt in der EU-Kommission als das zentrale quantitative Kriterium bei der Bewertung der Situation. Eine endgültige Entscheidung über die künftige fiskalische Ausrichtung und die weitere Aussetzung der Budgetregeln soll in Absprache mit den Mitgliedstaaten in der ersten Mai-Hälfte erfolgen, wenn eine neue belastbare Konjunkturprognose in Brüssel vorliegt. Die jetzt veröffentlichten vorläufigen Leitlinien sollen den EU-Staaten allerdings vorab schon eine gewisse Planungssicherheit geben.

Reform der Regeln folgt

Allein die Länder der Eurozone hatten 2020 in Reaktion auf die Pandemie fiskalpolitische Hilfsmaßnahmen im Volumen von 3,7% ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) be­schlossen. Hinzu kamen automatische Stabilisatoren im Volumen von weiteren rund 4% des BIP sowie Liquiditätsunterstützungen, die keine direkten Auswirkungen auf den Haushalt hatten (Steuerstundungen und insbesondere öffentliche Garantien), von sogar 19,2% des BIP.

EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni verwies in Brüssel darauf, dass die Krise noch nicht vorbei sei und der Wendepunkt in der Haushaltspolitik wohl nicht mehr in diesem Jahr komme. „Das Risiko, zu wenig zu tun, ist größer als das Risiko, zu viel zu tun“, sagte Gentiloni.

Der Aufruf, auch weiterhin eine expansive Fiskalpolitik zu verfolgen, gilt nach den Worten von Dombrovskis grundsätzlich auch für die besonders hoch verschuldeten Euro-Länder – auch wenn diese vielleicht etwas vorsichtiger agieren sollten. Nach welchen Regeln diese in Zukunft handeln müssen, ließ der Kommissionsvize offen. Die im Zuge der Pandemie unterbrochene Überprüfung und Reform der aktuellen Budgetregeln will die Brüsseler Behörde wieder aufnehmen, sobald sich die wirtschaftliche Erholung wieder zeigt und Schlüsse aus den Erfahrungen mit der Coronakrise gezogen werden können. Beobachter erwarten konkrete Reformvorschläge der EU-Kommission noch 2021.

Die Verschuldung in der Eurozone war im Zuge der Krise 2020 auf 101,7% des BIP von zuvor 85,9% geklettert. Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber warnte, man müsse sehr aufpassen, „dass die Coronakrise nicht direkt in die nächste Schuldenkrise führt“. Ferber warnte vor noch mehr Flexibilität in den Regeln. Aus den Fraktionen der Sozialdemokraten, Grünen und Linken kam hingegen die Forderung nach deutlichen Reformen. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt als Ganzes müsse abgeschafft werden, so der Co-Vorsitzende der Linken, Martin Schirdewan. Die Budgetregeln müssten dauerhaft ausgesetzt werden.