EU-China-Abkommen sorgt nicht nur für Jubel
Von Andreas Heitker, BrüsselDer Jubel über den Durchbruch beim CAI (Comprehensive Agreement on Investment), dem umfassenden Investitionsabkommen der EU mit China, fiel verhalten aus – dafür, dass mehr als sieben Jahre um eine Einigung gerungen wurde und Peking zuletzt Zugeständnisse gemacht hatte wie noch nie. Kritiker nahmen aber den Zeitpunkt der Verständigung, die Durchsetzung des Abkommens und insbesondere die Zusagen der chinesischen Seite beim Thema Arbeitsschutz und Zwangsarbeit ins Visier.Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sieht im CAI einen “handelspolitischen Meilenstein”. Und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ist sich sicher, dass der kurz vor Silvester verkündete Deal die wirtschaftlichen Beziehungen Europas zu China neu austarieren wird. Jürgen Matthes, der beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) das Kompetenzfeld Internationale Wirtschaftsordnung und Konjunktur leitet, verwies aber gestern darauf, dass konkretere Zusagen Chinas notwendig gewesen wären. Die gemachten Zusagen könnten nur wirksam sein, wenn sie mit politischem Willen einhergingen. “Im Falle Chinas ist das zweifelhaft”, so Matthes. Er verweist darauf, dass die EU selbst mit Südkorea das Problem habe, dass grundlegende Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation IAO nicht ratifiziert würden.In China betrifft dies vor allem das geforderte Verbot von Zwangsarbeit – vor allem mit Blick auf die Minderheit der muslimischen Uiguren. Für die FDP-Europaabgeordnete Svenja Hahn geht es hier um die Glaubwürdigkeit der EU-Handelspolitik insgesamt. “Es wäre unverantwortlich und unglaubwürdig, jetzt ein Investitionsabkommen mit China zu schließen, wenn es keine klaren Zusagen zu Arbeitsrechten enthalten würde. Dazu gehört vor allem das Verbot von Zwangsarbeit.”Für Reinhard Bütikofer, Europaabgeordneter der Grünen, kommt hinzu, dass Brüssel sich mit dem “in Torschlusspanik” festgezurrten Abkommen der Chance beraubt, erst einmal eine gemeinsame China-Politik mit dem neuen US-Präsidenten Joe Biden abzustimmen. Dies werde die EU noch teuer zu stehen kommen. “Die Verärgerung unseres transatlantischen Partners, mit dem wir eigentlich gemeinsam eine neue Seite aufschlagen wollten, ist ein hoher strategischer Preis.”Von vielen Wirtschaftsverbänden kam Beifall für die Grundsatzvereinbarungen, die jetzt erst einmal in Gesetzestexte gegossen werden müssen – allerdings auch nicht immer uneingeschränkt. “Ein verbesserter Marktzugang sollte mit einem hohen Schutzniveau für Investitionen und einem neutralen und wirksamen Streitbeilegungsmechanismus einhergehen”, erklärte Markus J. Beyrer, Generalsekretär des Industriedachverbands Businesseurope. “Die EU und China sollten auch daran arbeiten, in diesem Bereich ein ehrgeiziges Ergebnis zu erzielen.”Denn beim Thema Investitionsschutz gehen die Verhandlungen weiter. Es gibt lediglich die gegenseitige Zusage, dass die Gespräche hierüber und über die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten spätestens zwei Jahre nach Unterzeichnung des CAI abgeschlossen sein sollen. Der Fokus liegt noch immer auf einem neuen multilateralen Investitionsgerichtshof. Dass China seinen Markt aber jetzt schon unter anderem für EU-Investitionen im verarbeitenden Gewerbe öffnet und auch das Problem der subventionierten Staatsunternehmen im CAI nun neu geregelt wird, droht bei der ganzen Skepsis ein wenig unterzugehen.