EU erhöht Investitionen in Süd- und Mittelamerika
EU investiert in Süd- und Mittelamerika
Abkommen bei kritischen Rohstoffen und Infrastruktur – Kein Durchbruch bei Freihandel mit Mercosur – Eklat um Russland
Um die wirtschaftliche Abhängigkeit von China zu reduzieren, nimmt die EU Mittel- und Südamerika stärker in den Blick. Einen Durchbruch beim Freihandelsabkommen mit dem Mercosur kann die EU nach dem Gipfeltreffen der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (Celac) jedoch nicht verkünden.
mpi Frankfurt
Das zweitägige Gipfeltreffen zwischen der EU und der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (Celac) hat keinen Durchbruch beim Freihandelsabkommen mit dem Staatenbündnis Mercosur gebracht, doch hat es zu einer tieferen Zusammenarbeit zwischen der EU und den süd- und mittelamerikanischen Staaten geführt. Bis Ende 2027 will die EU mehr als 45 Mrd. Euro in Lateinamerika und der Karibik investieren, wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beim Gipfeltreffen mitteilte. Das Geld soll unter anderem dazu beitragen, die Versorgung Europas mit kritischen Rohstoffen wie Lithium zu sichern. Zudem hat die EU mit mehreren Staaten Abkommen geschlossen. Dazu gehören unter anderem Vereinbarungen zu einer stärkeren Kooperation im Bereich von kritischen Rohstoffen mit Argentinien und Chile oder beim Ausbau von Infrastruktur in Costa Rica und Kolumbien.
Das letzte EU-Gipfeltreffen mit Celac hatte 2015 stattgefunden. Künftig wollen sich beide Seite alle zwei Jahre treffen. „Die Beziehung zwischen der EU und Celac ist stärker geworden, als sie es gestern noch war“, sagte Ralph Gonsalves, Premierminister des karibischen Staates St. Vincent und die Grenadinen und derzeitiger Präsident des Celac. Einen Eklat hatte es beim Gipfel um eine Erklärung zum Ukraine-Krieg gegeben. Mit Russland verbündete Länder wie Nicaragua, Venezuela und Kuba setzten durch, dass die Deklaration keine explizite Verurteilung des Krieges enthält und Russland nicht einmal erwähnt wird.
Das Gipfeltreffen war vor allem in Hinblick auf die Gespräche zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem lateinamerikanischen Wirtschaftsbündnis Mercosur mit Spannung erwartet worden. Die EU und die vier südamerikanischen Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay hatten sich nach rund 20 Jahre andauernden Verhandlungen 2019 eigentlich auf ein Abkommen geeinigt. Doch ratifiziert ist es bis heute nicht.
Differenzen bleiben
Mehrere EU-Staaten, darunter Deutschland, wollen eine Zusatzerklärung verabschieden, die alle Unterzeichner dazu verpflichtet, die Pariser Klimaschutzziele einzuhalten. Bei Verstößen sollen Sanktionen möglich sein. Zu den Klimazielen gehört unter anderem der Schutz von Regenwald. Brasilien ist jedoch gegen eine Zusatzerklärung mit Sanktionsmöglichkeiten. Ein Freihandelsabkommen müsse auf Vertrauen statt Misstrauen basieren, hatte Präsident Luiz Inácio Lula bereits Mitte Juni bei einer Südamerikareise von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gesagt. Auch Argentiniens Präsident Alberto Fernández kritisierte die Zusatzerklärung, weil sie den Fokus zu stark auf Umweltschutz lege, ohne die wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit im Blick zu behalten.
„Wir wollen über das Abkommen diskutieren, aber wir wollen uns nichts aufzwingen lassen“, hatte Lula zudem im Juni gesagt. Sollte Brasilien der Zusatzerklärung am Ende zustimmen, dürfte dies also mit einer Gegenleistung der EU verbunden sein. Brasilien denkt dabei an Zugeständnisse bei Vorgaben für öffentliche Ausschreibungen, um die Produktion von Impfstoffen und Medikamenten im eigenen Land besser fördern zu können.
Einige der Mercosur-Staaten sprechen sich wiederum für Änderungen am bereits ausgehandelten Abkommen in eine ganz andere Richtung aus. Die EU sei bei Zollbefreiungen und Exportquoten in der aktuellen Fassung deutlich besser gestellt als der Mercosur, sagte Argentiniens Außenminister Santiago Cafiero vor wenigen Tagen. Uruguay wiederum drängt auf eine schnelle Einigung zwischen EU und Mercosur in den noch offenen Streitfragen.
Freihandelsabkommen soll bis Jahresende stehen
Trotz der Differenzen hofft von der Leyen darauf, dass das Handelskommen bis zum Jahresende ratifiziert ist. „Wir müssen alle bestehende Probleme so schnell wie möglich lösen, spätestens bis zum Jahresende.“ Bei einer Einigung entstünde die größte Freihandelszone der Welt mit mehr als 700 Millionen Menschen.
Die deutsche Wirtschaft erhofft sich davon nicht nur einen Wachstumsimpuls, sondern auch eine geringere Abhängigkeit von chinesischen Importen. In Argentinien befinden sich beispielsweise größere Lithium-Vorkommen, die für die Herstellung von Elektrobatterien benötigt werden. Ohne Handelsabkommen drohe der chinesische Einfluss in Südamerika laut des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) jedoch immer größer zu werden. „Die Handelsströme bewegen sich immer weiter weg von Europa hin zum chinesischen Markt“, sagte BDA-Präsident Dirk Jandura. „Wir brauchen dringend das Handelsabkommen mit dem Mercosur“.