EU glaubt nicht an "No Deal"

Beschwichtigungen aus Brüssel - Phase zwei der Brexit-Gespräche verschoben - Scharfe Kritik aus London

EU glaubt nicht an "No Deal"

Die nächste Phase der Brexit-Verhandlungen startet frühestens im Dezember. Dies beschloss die EU-27 auf ihrem Gipfel, was bei britischen Wirtschafts- und Finanzverbänden auf scharfe Kritik stieß. Von einem möglichen “No Deal” will man in Brüssel dennoch nichts wissen.ahe/hip Brüssel/London – Die Staats- und Regierungschefs der EU-27 sehen in den bisherigen Brexit-Verhandlungen wie erwartet noch nicht genügend Fortschritte erreicht, um bereits Gespräche mit London über die künftigen Beziehungen und eine Übergangsphase starten zu können. Auf ihrem nächsten Gipfel Mitte Dezember soll es nun die nächste Bewertung des Verhandlungsstands geben.In London kam diese Entscheidung ausgesprochen schlecht an. “Warme Worte sind nicht genug für die Unternehmen ganz Europas”, sagte die Chefin des Unternehmerverbands CBI, Carolyn Fairbairn. “Um Arbeitsplätze und Investitionen auf beiden Seiten zu sichern, werden jetzt Entscheidungen und Gewissheit benötigt.” Unternehmen in ganz Europa hätten keine andere Möglichkeit mehr, als sich auf jedes mögliche Ergebnis einzustellen, auch auf einen “No Deal”-Brexit. Die Planungen der Großunternehmen seien bereits weit fortgeschritten, der Verband werde nun kleinen und mittleren Firmen dabei helfen, gleichzuziehen.”Die Entscheidung des Europäischen Rats ist enttäuschend, unnötig und sowohl für Großbritannien als auch für die EU schädlich”, kritisierte auch Miles Celic, der Chef der britischen Finanzmarktlobby The City UK. “Der Wert einer Übergangsregelung schwindet mit jedem weiteren Tag. Sie ist ein Druckmittel, das sich bald in den Händen der Verhandlungsführer auflösen wird.” “Lärm und Bluff”In Brüssel wurde versucht, die Wogen zu glätten. In den Schlussfolgerungen der Staats- und Regierungschefs wurde der Rat aufgerufen, zusammen mit EU-Verhandlungsführer Michel Barnier “interne vorbereitende Beratungen” für die nächste Verhandlungsphase aufzunehmen. Dazu gehört unter anderem das Erstellen neuer Leitlinien für Barnier. EU-Ratspräsident Donald Tusk betonte, dass man bei den Verhandlungen in eine Sackgasse geraten sei, sei in der Öffentlichkeit übertrieben dargestellt worden. Er habe den Eindruck, dass beide Seiten “viel guten Willen” zeigten.Auch in Berlin war zuletzt auf die bereits erreichten Fortschritte verwiesen worden. Ein Regierungsvertreter hatte bereits vor dem Gipfel betont, dass auch beim strittigen Thema der finanziellen Verpflichtungen eine Lösung zu erwarten sei. Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich in Brüssel dann erneut zuversichtlich, dass es letztlich eine Einigung geben werde. Sie habe daran eigentlich überhaupt keinen Zweifel – “wenn wir geistig alle klar sind”, betonte sie.”Wir gehen nicht von einem ,No Deal`-Szenario aus”, pflichtete auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Anschluss an die Gipfelberatungen bei. Bislang habe ihm auf britischer Seite auch noch niemand konkret erläutern können, was das heißen solle. Juncker sprach von der “britischen Art, kollektiv öffentliche Pädagogik zu betreiben”. Der französische Präsident Emmanuel Macron, der ein “No Deal” nach eigenen Worten ebenfalls für wenig wahrscheinlich hält, drückte es so aus: “Dass es Lärm und Bluff gibt, liegt in der Natur der Sache und der Medien.” Allerdings sieht Macron den Verhandlungsweg noch nicht einmal zur Hälfte geschafft.Den Vorschlag der britischen Premierministerin Theresa May, eine zweijährige Übergangsphase einzuführen, bezeichnete Merkel als eine “interessante Idee”, die aber nicht Teil der aktuellen Verhandlungsphase sei. Martin Howe, Chairman von Lawyers for Britain und EU-Rechtsexperte, verwies darauf, dass Artikel 50 der EU-Verträge auch gar keine Möglichkeit vorsehe, eine ergebnisoffene Übergangsphase zu beschließen, um mehr Zeit für Verhandlungen zu haben.Frühestens Ende 2018, wenn man sich auf die Rahmenbedingungen des künftigen Verhältnisses geeinigt habe, könne die EU solchen Übergangsvereinbarungen zustimmen, schrieb er in einem Beitrag für die Website “Brexit Central”. Hoffnungen, dass es bis Ende des Jahres dazu kommen könnte, seien “naiv und völlig unrealistisch”.Der ehemalige Chairman von KPMG International, Mike Rake, der mittlerweile dem Board der BT Group vorsitzt, sprach sich in einem Bloomberg-TV-Interview sogar für eine fünf- bis zehnjährige Übergangsperiode aus.—– Wertberichtigt Seite 6