EU-Haushaltsregeln auf dem Prüfstand

Schwächen im Stabilitäts- und Wachstumspakt identifiziert - Neue Ausnahmen für Klima und Digitales?

EU-Haushaltsregeln auf dem Prüfstand

ahe Brüssel – Die EU-Kommission hat eine mehrmonatige öffentliche Konsultation gestartet, bei der eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes ausgelotet werden soll. Eine vorläufige Bestandsaufnahme der europäischen Haushaltsregeln durch die Brüsseler Behörde hatte ergeben, dass diese in den vergangenen Jahren durchaus zu finanzpolitischer Stabilität und einer größeren Konvergenz zwischen den Euro-Staaten beigetragen haben. Zugleich wurden aber auch zahlreiche Schwächen zutage gefördert. So sei der Fiskalrahmen immer komplexer geworden, was seine Akzeptanz erschwere, sagte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni in Brüssel.Der öffentliche Schuldenstand sei in einigen Mitgliedstaaten zudem auf einem hohen Niveau geblieben, und die nationalen Finanzpolitiken wirkten außerdem häufig prozyklisch. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt habe auch dazu beigetragen, dass durchweg eher die laufenden Ausgaben erhöht und die Investitionen heruntergefahren worden seien.Gentiloni verwies darauf, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen seit Einführung der Haushaltsregeln erheblich gewandelt hätten. Stabilität bleibe ein zentrales Ziel, sagte der Italiener. Aber genauso wichtig sei es, das Wachstum zu stützen und insbesondere die massiven Investitionen zu mobilisieren, die in Europa für den Klimaschutz und die weitere Digitalisierung fällig würden.Im Blickpunkt der Überprüfung und der jetzt angelaufenen breiten Konsultation stehen insbesondere die “Six Pack”- beziehungsweise “Two Pack”-Regeln, die im Zuge der Verschuldungskrise 2011 und 2013 eingeführt wurden. Diese Regulierung hat die Haushaltsüberwachung der Euro-Staaten in ihrer heutigen Form eingeführt, einschließlich der möglichen Defizitverfahren. Im Sommer will die EU-Kommission die Ergebnisse der Konsultation auswerten und dann eine Zwischenbilanz ziehen. Mögliche Gesetzesvorschläge mit konkreten Reformen des Stabilitäts- und Wachstumspakts sollen dann bis Jahresende folgen. Kritik aus dem EU-ParlamentNach der Finanzkrise waren 2011 noch 24 EU-Länder in einem Defizitverfahren gewesen. Spanien war von diesen das letzte Land, das im vergangenen Jahr aus dem Verfahren entlassen wurde. Auch die Staatsverschuldung in der Eurozone ist in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt weiter zurückgegangen. Der Europäische Fiskalrat, ein unabhängiges Beratungsgremium der EU-Kommission, hatte sich bereits im letzten September für eine deutliche Vereinfachung der Haushaltsregeln starkgemacht. Eingeführt werden sollte nach Meinung des Rates auch eine “goldene Regel”, um öffentliche Investitionen zu schützen.EU-Abgeordnete warnten die Kommission davor, neue Ausnahmen einzuführen. Der CSU-Finanzexperte Markus Ferber sagte, die Ereignisse rund um die griechische Staatsschuldenkrise schienen allmählich in Vergessenheit zu geraten. “Ich kann nur davor warnen, damit anzufangen, bestimmte Investitionen aus der Defizitberechnung herauszurechnen.” Nur weil die EU-Kommission nun den Green Deal ausgerufen habe, habe sich die Schuldentragfähigkeit in Ländern wie Italien und Frankreich nicht verbessert.Der Grüne Sven Giegold betonte, statt grüner Ausnahmen werde eine Besserstellung aller Investitionen in den Haushaltsregeln benötigt, ermöglicht durch eine einfache Abschreibungsregel. “Das bringt nicht nur Digitalisierung und Klimawende voran, sondern auch andere öffentliche Güter wie Forschung, Gesundheit und Bildung.” Martin Schirdewan von den Linken forderte eine Abschaffung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Europa brauche heute vielmehr massive und koordinierte öffentliche Investitionen.