EU kämpft gegen Steuervermeidung

Moscovici schlägt Informationsaustausch vor und lässt länderspezifische Berichterstattung prüfen

EU kämpft gegen Steuervermeidung

Die EU-Kommission kommt im Kampf gegen aggressive Steuerplanung und Steuervermeidung von Unternehmen voran. EU-Kommissar Pierre Moscovici legt heute einen Gesetzesvorschlag vor und kündigt in einer Mitteilung an, wie er künftig verhindern möchte, dass Konzerne ihre Steuerlast erheblich drücken.fed Brüssel – Die EU-Kommission wird am heutigen Mittwoch zwei Papiere zum Kampf gegen Steuervermeidung veröffentlichen, deren Entwürfe der Börsen-Zeitung vorliegen. Sie enthalten eine ganze Reihe von Punkten, die Europas Unternehmen – und ihren großen Steuerberatungsgesellschaften – nicht schmecken dürften. Erstens präsentiert EU-Kommissar Pierre Moscovici den Vorschlag für eine EU-Richtlinie über den automatischen Informationsaustausch von Steuervorbescheiden, den berüchtigten “tax rulings”. Künftig soll jedes Mitgliedsland alle anderen EU-Staaten darüber auf dem Laufenden halten, welchen international tätigen Unternehmen man verbindliche Zusagen über die Kalkulation ihrer Steuerlast und die Berechnung ihrer konzerninternen Transferpreise gemacht hat. Bislang liegt es im Ermessen einer EU-Regierung, wann sie einen Nachbarstaat darüber auf dem Laufenden hält, dass das heimische Finanzamt mit der Firma X eine Verabredung über die Kriterien zur Bestimmung ihrer künftigen Steuerlast getroffen hat. Die wichtigsten Informationen sollen künftig automatisch an alle anderen EU-Länder gemeldet werden, so dass Diskrepanzen effektiver entdeckt werden können – etwa, dass Firmen bestimmte Positionen in mehreren Ländern zum Abzug bringen oder Gewinne durch listige Transaktionen hier wie da der Besteuerung entziehen.Anlass für Diskussionen dürfte der rückwirkende Ansatz bieten, den Brüssel vorschlägt – und die Einbeziehung der EU-Kommission. Im neuen Art. 8a heißt es: “Die zuständigen Behörden eines Mitgliedsstaats sollen die Behörden aller anderen EU-Staaten ebenso wie die EU-Kommission über grenzüberschreitende Steuervorbescheide und Transferpreis-Vereinbarungen informieren, die in den vergangenen zehn Jahren geschlossen wurden und noch in Kraft sind.” Durch die Beteiligung der EU-Behörde dürfte das Risiko für alle Firmen steigen, die von großzügigen, selektiven Steuerdeals profitiert haben, nachträglich Ärger wegen staatlicher Beihilfen zu bekommen – so wie zuletzt bereits Apple, Amazon, Starbucks und Fiat Finance sowie mehrere Dutzend Firmen in Belgien.Aber nicht nur der Richtlinienvorschlag dürfte all jenen, die es bislang mit der Steueroptimierung sehr weit treiben, künftig Probleme bereiten. Auch die Ansagen in der flankierenden EU-Mitteilung haben es in sich. Das gilt im Besonderen für einen Prüfauftrag: “Die EU-Kommission wird eine Abschätzung vornehmen, ob zusätzliche Veröffentlichungspflichten für bestimmte Steuerinformationen eingeführt werden sollten” – ob also nicht bloß andere Behörden, sondern auch die Öffentlichkeit mehr über die Steuerpraxis von Firmen erfahren sollte. Erinnert wird an bereits existierende Anforderungen für Banken und für Unternehmen der Forstwirtschaft und der Rohstoffförderung.In der Tat wäre bei einer Ausweitung einer länderspezifischen Berichterstattung (country-by-country reporting) auf alle Wirtschaftszweige damit zu rechnen, dass dann Nichtregierungsorganisationen gezielt die Steuergestaltung einzelner Konzerne anprangern würden. Die Formulierung im EU-Papier lässt vermuten, dass es selbst innerhalb der EU-Behörde Kontroversen über diesen Punkt gibt: “Gleichwohl müssen der Gegenstand und der Anwendungsbereich einer solchen Initiative sehr vorsichtig ausgelotet werden.” Verwiesen wird auf Risiken und den Bedarf, Betriebsgeheimnissen und andere Daten zu schützen.