EU-Kommission ebnet Türkei Weg zu Visaerleichterungen

Rücktritt von Ministerpräsident Davutoglu

EU-Kommission ebnet Türkei Weg zu Visaerleichterungen

fed/lz Brüssel/Frankfurt – Für Bürger in der Türkei rückt die Möglichkeit für Reisen in die Europäische Union ohne Visumspflicht immer näher. Nachdem die EU der Türkei im März eine Visabefreiung bereits schon ab Sommer in Aussicht gestellt hatte, erklärte die EU-Kommission jetzt in einem Fortschrittsbericht, dass Ankara mittlerweile viele Bedingungen erfülle – und dass der vorgesehene Zeitplan nach wie vor realistisch sei. “Die Türkei hat vor allem in den vergangenen Wochen beachtliche Fortschritte bei der Erfüllung der Zielvorgaben des Fahrplans für die Visaliberalisierung erzielt”, erklärte EU-Kommissionsvize Frans Timmermans. Allerdings müsse Ankara noch fünf Bedingungen erfüllen, wenn – wie geplant – Ende Juni tatsächlich die Visumspflicht für Türken bei Reisen in die EU fallen soll. Dabei geht es um einen wirkungsvolleren Kampf gegen Korruption, den Schutz personenbezogener Daten, die Zusammenarbeit in Rechtssachen mit allen EU-Ländern, eine umfassendere Zusammenarbeit mit der europäischen Polizeibehörde (Europol) und die Vereinbarkeit von Praktiken im Kampf gegen Terrorismus mit europäischen Regeln. Lackmustest der EUDie Beseitigung der Visumspflicht ändert zwar aller Voraussicht nach substanziell wenig am türkisch-europäischen Reiseverkehr, schließlich geht es nur um das Recht des (touristischen) Aufenthalts für drei Monate ohne Arbeitserlaubnis. Gleichwohl ist die Liberalisierung für die Türkei von politischer Bedeutung, da sich Türken bei Besuchen in die EU oft wie Menschen zweiter Klasse behandelt fühlen. Das visafreie Reisen gilt daher für viele türkische Bürger als Lackmustest, ob es die EU mit ihren Angeboten einer Annäherung mit der Türkei ernst meint.Zugleich ist die Visaliberalisierung eine der Gegenleistungen für die Anstrengungen der Türkei, den Flüchtlingsstrom durch die Ägäis zu bremsen. Das ist zuletzt gelungen. Statt zuvor Tausende gelangten in den vergangenen Tagen jeweils weniger als 100 Flüchtlinge von der türkischen Küste auf die griechischen Inseln. Mehr Macht für ErdoganUnterdessen festigt Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan seine Position innerhalb seiner eigenen Partei weiter, nachdem mit Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sein innerparteilicher Kritiker und ein Vertreter eines demokratischeren Kurses beim Umbau des Staatsapparats seinen Rücktritt angekündigt hat. er werde nicht mehr für den Vorsitz der islamisch-konservativen AKP kandieren, gab Davutoglu bekannt. Das schließt ihn automatisch auch vom Amt des Regierungschefs aus. Davutoglu war Erdogan als Partei- und Regierungschef nachgefolgt, als dieser im August 2014 zum Staatspräsidenten gewählt wurde. Davutoglu sagte, er hoffe, dass der Sonderparteitag der Türkei “neue Wege eröffnet”. Der scheidende Parteichef betonte gleichzeitig seine Loyalität zu Erdogan.Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Niels Annen, rechnet damit, dass Erdogan seine Pläne für eine Verfassungsänderung in Richtung größerer Machtbefugnisse “nun ohne Widerstand aus den eigenen Reihen vorantreiben” wird. “Angesichts des vorherrschenden Klimas der Repression und der laufenden Debatte über die Aufhebung der Immunität von Oppositionsabgeordneten ist dies eine schlechte Nachricht.”