EU-Parlament setzt Kaili fast einstimmig ab
dpa-afx Straßburg
Mit der fast einstimmigen Absetzung seiner Vizepräsidentin Eva Kaili hat das Europaparlament einen ersten Befreiungsschlag im Korruptionsskandal um mutmaßliche Einflussnahme aus Katar versucht. Die Abgeordneten enthoben die Griechin am Dienstag mit nur einer Gegenstimme in Straßburg ihres Amtes. Nach Tagen immer neuer Vorwürfe gegen Abgeordnete und Mitarbeiter beginnt nun die Aufräumarbeit. Kaili, die derzeit in Untersuchungshaft ist, bestritt unterdessen über ihren Anwalt den Vorwurf, gegen Geld politische Entscheidungen im Sinne des Wüstenstaats Katar beeinflusst zu haben.
Angesicht der Dimension des Skandals wäre alles andere als ein deutliches Zeichen bei der Abstimmung über Kailis Absetzung wohl eine Blamage gewesen. Mit einem so deutlichen Ergebnis haben aber wohl die wenigsten gerechnet. „Die große Einigkeit des Parlaments ist ein sehr gutes Zeichen“, sagte die Grünen-Fraktionschefin Terry Reintke. „Wenn wir uns jetzt noch auf umfassende Aufklärung und weitergehende präventive Maßnahmen einigen können, ist ein erster wichtiger Schritt in der Reaktion auf den Skandal genommen.“
Dass es eine lückenlose Aufklärung geben soll, hatte Präsidentin Roberta Metsola bereits am Montag versprochen. Sie nannte interne Untersuchungen, einen Reformprozess für mehr Transparenz und einen besseren Schutz von Whistleblowern. Im Gespräch sind etwa ein Untersuchungsausschuss und ein Ethikgremium. Bereits am Wochenende hatte Metsola der ehemaligen TV-Moderatorin Kaili, die eine von 14 Vizepräsidentinnen war, alle Befugnisse in diesem Amt entzogen. Zudem wurde sie aus ihrer griechischen Pasok-Partei und der sozialdemokratischen Fraktion ausgeschlossen. Ihr Abgeordnetenmandat behält die Griechin vorerst.
Kaili ist eine von sechs Verdächtigen, die in dem Korruptionsskandal seit Freitag von den belgischen Behörden festgenommen worden sind. Vier von ihnen kamen am Sonntag in Untersuchungshaft, darunter Kaili selbst, ihr Freund und der sozialdemokratische Ex-Europaabgeordnete Antonio Panzeri aus Italien. Im Raum steht, dass Katar mit Geld- und Sachgeschenken versucht hat, Einfluss auf politische Entscheidungen im Europaparlament zu nehmen. Katar weist die Vorwürfe zurück. Kaili selbst ist sich ebenfalls keiner Schuld bewusst, wie ihr Anwalt Michalis Dimitrakopoulos am Dienstag klarstellte. „Ihre Position ist, dass sie unschuldig ist. Sie hat nichts mit Geldflüssen aus Katar zu tun, überhaupt nichts.“ Die belgischen Medien „Le Soir“ und „Knack“, die die Ermittlungen gegen Kaili aufgedeckt hatten, berichteten am Dienstag, dass Ermittler bei Kaili und Panzeri mehr als 1,5 Mill. Euro in bar gefunden hätten.
Die einzige Stimme gegen Kailis Absetzung im Parlament kam von einem selbst erklärten Kämpfer gegen Korruption: dem fraktionslosen Abgeordneten Mislav Kolakusic aus Kroatien. Der ehemalige Richter begründete sein Votum mit der Unschuldsvermutung. Neben den 625 Ja-Stimmen und Kolakusic’ Nein gab es noch zwei Enthaltungen: vom AfD-Politiker Joachim Kuhs und dem niederländischen Konservativen Dorien Rookmaker.
Wie es für Kaili weitergeht, wird sich schon am Mittwoch zeigen. Dann soll sie vor einer Gerichtskammer aussagen und es wird darüber entschieden, ob sie zunächst aus der Untersuchungshaft entlassen werden kann.