EU-Parlament zu weiterer Verlängerung bereit
ahe Brüssel – Das neue EU-Parlament hat sich noch einmal mit breiter Mehrheit für einen geordneten Brexit starkgemacht und Großbritannien auch die Tür für eine erneute Verschiebung des Austritts geöffnet. In einer Entschließung, die mit 544 Stimmen bei 126 Gegenstimmen und 38 Enthaltungen verabschiedet wurde, sprachen sich die Abgeordneten allerdings erneut gegen ein Austrittsabkommen ohne eine Backstop-Lösung für die irische Insel aus. Sie bestätigten aber, dass sie weiterhin auch eine auf Nordirland begrenzte Notfalllösung akzeptieren könnten und auch offen für “alternative Regelungen” seien – wenn diese denn rechtlich umsetzbar und voll funktionsfähig seien.Eine Verlängerung der Brexit-Frist über den 31. Oktober hinaus wollen die Abgeordneten unterstützen, wenn von London ein entsprechender Antrag gestellt wird und wenn es vor allem gute Gründe für eine solche Verlängerung gibt, wie etwa eine Wahl oder ein Referendum.EU-Chefunterhändler Michel Barnier hatte vor dem Parlament in Straßburg zuvor Vorwürfe von Brexit-Befürwortern und von rechtsnationalen Abgeordneten zurückgewiesen, er wolle mit dem Beharren auf den umstrittenen Backstop lediglich Großbritannien in einer Zollunion mit der EU gefangen halten. Der Chef der britischen Brexit-Partei, Nigel Farage, betonte, Barnier wolle verhindern, dass Großbritannien außerhalb der EU erfolgreich sei und reicher werde. Der AfD-Politiker Gunnar Beck warf Barnier vor, dieser wolle Großbritannien auf einen “Vasallenstaat” reduzieren.Barnier sagte dagegen, die EU-Position sei pragmatisch und nicht ideologisch. Niemand wolle die Entscheidung des britischen Volkes, die EU zu verlassen, hintergehen. Aber den Bürgern müsse auch die Wahrheit über die Konsequenzen gesagt werden. Zudem gehe es darum, konkrete und gesicherte Lösungen zu finden. Auch bei einem ungeregelten Austritt müssten ja im Anschluss Antworten auf die zentralen Fragen rund um Bürgerrechte, finanzielle Verpflichtungen und Handelsregeln gefunden werden – sollte es danach noch zu einem Freihandelsabkommen kommen.Abgeordnete verschiedener Fraktionen warnten in der Debatte davor, dass Großbritannien nach dem Brexit EU-Standards unterlaufen könnte, um die eigene Wettbewerbsposition zu stärken. Die EU-27 könne Sozial- und Umweltdumping vor ihrer Haustür nicht zulassen, sagte der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU). Auch der Grünen-Co-Fraktionschef Philippe Lamberts warf dem britischen Premierminister Boris Johnson vor, er wolle Sozial- und Steuerdumping betreiben. “Wir werden unsere Wirtschaft und unseren Binnenmarkt verteidigen”, betonte der Liberale Guy Verhofstadt. Ein “Singapur in der Nordsee” könne die EU nicht akzeptieren. Auch Barnier verwies auf die Bedeutung eines Level Playing Fields. Es gehe um faire, für alle geltenden Spielregeln.Nach Einschätzung von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, der Johnson am Montag in Luxemburg getroffen hatte, bleibt das Risiko eines No Deal “sehr real”. Er habe den britischen Premier aufgefordert, schriftlich konkrete Backstop-Alternativen vorzulegen, sagte Juncker. Zudem habe er vorgeschlagen, die Verhandlungen künftig auf politischer und nicht nur auf technischer Ebene zu führen, also unter Beteiligung von Johnson und Barnier.