ENDE DER ALTEN ORDNUNG -- KÖPFE DES JAHRES

EU-Spitze

ms - Wohin steuert Europa? Das ist die große Frage, die sich 2019 wohl mehr denn je stellt. Eine genauso bedeutsame Frage aber ist: Mit wem (an der Spitze) steuert Europa in die Zukunft? Denn 2019 werden eine ganze Reihe EU-Topjobs neu vergeben:...

EU-Spitze

ms – Wohin steuert Europa? Das ist die große Frage, die sich 2019 wohl mehr denn je stellt. Eine genauso bedeutsame Frage aber ist: Mit wem (an der Spitze) steuert Europa in die Zukunft? Denn 2019 werden eine ganze Reihe EU-Topjobs neu vergeben: Zuvorderst ist das der Chefposten in der EU-Kommission, aber auch jene im EU-Rat und im EU-Parlament. Und dann braucht es Ende 2019 auch noch einen neuen Präsidenten für die Europäische Zentralbank (EZB).Als Favorit für die Nachfolge von Jean-Claude Juncker an der Spitze der EU-Kommission sehen viele den CSU-Europaabgeordneten Manfred Weber. Der 46-jährige Niederbayer ist der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP), also der Parteienfamilie der Christdemokraten und Konservativen, für die Europawahl im Mai. Weber, der sich selbst als “Brückenbauer” präsentiert, wäre der erste Deutsche in dem mächtigsten Amt in Brüssel seit mehr als einem halben Jahrhundert – seit Walter Hallstein als erstem Vorsitzenden der damaligen Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.Als sicher kann der Aufstieg Webers aber nicht gelten. Zwar dürfte die EVP wieder stärkste Kraft werden. Das Wahlergebnis dürfte aber so ausfallen, dass das Schmieden von Allianzen im EU-Parlament schwierig wird. Vom Wahlausgang könnte zudem abhängen, ob die EU-Staats- und -Regierungschefs erneut akzeptieren, dass der Gewinner der Wahl automatisch EU-Kommissionspräsident wird – denn festgeschrieben ist das nicht. Zumal bei einem knappen Wahlausgang und einem Erstarken extremer Kräfte könnten die Staats- und Regierungschefs jemanden mit mehr Erfahrung, vor allem auch in Sachen Regieren, vorziehen.Spannend ist dabei auch, wer Ende 2019 EU-Ratspräsident Donald Tusk nachfolgt. Hartnäckig halten sich Gerüchte, Bundeskanzlerin Angela Merkel könnte Interesse haben – und so auch einen eleganten Abgang aus Berlin schaffen. Allerdings hat die 64-Jährige immer wieder gesagt, bis 2021 Kanzlerin bleiben zu wollen – und keine neuen Ämter anzustreben.Wer nach dem Mai EU-Kommissionspräsident werden wird, hat zugleich zentralen Einfluss darauf, wer im November 2019 EZB-Präsident Mario Draghi beerben könnte – schließlich geht es bei EU-Jobs nicht immer allein um die Qualifikation, sondern auch darum, dass alle Länder und Regionen repräsentiert sind. In der Weltfinanz- und der Euro-Krise ist die EZB zu einem zentralen Akteur geworden.Lange Zeit galt Bundesbankpräsident Jens Weidmann als aussichtsreichster Kandidat für die Draghi-Nachfolge. Nicht nur, dass Deutschland als einziges der drei größten Euro-Länder noch nicht am Zug war. Der 50-Jährige ist zudem ein absolutes Schwergewicht im EZB-Rat, und seine fachliche Expertise wird von kaum jemandem angezweifelt. Vor allem in den südlichen Euro-Ländern aber stößt Weidmann auf wenig Gegenliebe. Tatsächlich wäre Weidmann für die Euro-Politik sicher ein unbequemer EZB-Präsident, weil er die nationalen Regierungen stärker in die Pflicht nehmen dürfte.Sollte Weber EU-Kommissionspräsident werden, hätte Weidmann keine Chance mehr auf die Draghi-Nachfolge. In dem Fall setzen viele auf Frankreichs Notenbankpräsident François Villeroy de Galhau. Das größte Problem des 59-Jährigen Deutschland-Fans (“Ich liebe Deutschland”): Mit Jean-Claude Trichet stand bereits ein Franzose an der EZB-Spitze. Am Ende könnte aber auch die Stunde eines Kompromisskandidaten schlagen. Häufig fallen da die Namen der Zentralbankchefs Philip Lane (Irland), Klaas Knot (Niederlande) und Olli Rehn (Finnland). Auch Finnlands Ex-Notenbankchef Erkki Liikanen gilt als eine Option.Wer auch immer es am Ende an die Spitze der EU-Kommission und der EZB schafft, die Herausforderungen sind immens: Brexit, Weiterentwicklung der Eurozone, der Kampf gegen den Populismus – Europa steht vor unruhigen Zeiten.