EU stellt sich auf schwierigen Clinch ein

Gipfel berät über britische Wünsche und Flüchtlinge

EU stellt sich auf schwierigen Clinch ein

fed/wf Brüssel/Berlin – Europas Regierungen rechnen mit schwierigen Verhandlungen beim heute beginnenden EU-Gipfel, der sich – erstmals seit längerem – wieder mit existenziellen Fragen für die Zukunft der Staatengemeinschaft beschäftigt. Auf der Tagesordnung stehen Beratungen darüber, wie die 27 EU-Partner auf den britischen Forderungskatalog reagieren. Premier David Cameron dringt auf Korrekturen an grundsätzlichen Orientierungen und am institutionellen Design der EU. London und Brüssel haben sich immerhin bereits auf eine Verhandlungsbasis verständigt. Teufel steckt im DetailEs gibt allerdings noch jede Menge ungeklärter, aber wichtiger Details. Ob die Regierungschefs dies schaffen, ist nicht absehbar. “Aus heutiger Sicht ist noch nicht sichergestellt, ob es gelingt, am Freitag einen Kompromiss zu präsentieren”, sagte ein deutscher Regierungsvertreter. Auch hochrangige EU-Beamte bestätigen, dass es einigen Gesprächsbedarf gebe. So sind sich die 28 EU-Regierungen zwar im Grundsatz darüber einig, dass die Euro-Staaten (“Euro-Ins”) das Recht zu einer immer engeren Zusammenarbeit haben sollen, zugleich aber die EU-Staaten außerhalb von Euroland (“Euro-Outs”) auf eine Extraberatungsrunde im Rat pochen dürfen, falls sie durch neue Integrationsschritte Nachteile befürchten. Hintergrund der Sorge der “Outs” ist die Tatsache, dass es die 19 “Ins”, die zwei Drittel der EU-Bevölkerung repräsentieren, mittlerweile auf eine qualifizierte Mehrheit in der EU bringen – und somit fast alle Regulierungsvorhaben durchsetzen können, wenn sie wollen. Die “Ins” wiederum pochen darauf, bei allen Zugeständnissen an London sicherzustellen, dass die “Outs” nicht die Gesetzgebung unnötig verzögern oder gar verhindern können.Umstritten ist zudem das Entgegenkommen der 27 EU-Partner, was die Ansprüche von Wanderarbeitnehmern an die staatliche Leistungsverwaltung angeht. London würde am liebsten alle Beschäftigten aus anderen EU-Staaten in den ersten vier Jahren nach deren Ankunft im Vereinigten Königreich von sozialen Unterstützungen ausnehmen. Auf dem Tisch liegt nun ein Kompromiss, der eine stufenweise Aufstockung der Ansprüche von Arbeitnehmern nach ihrem Zuzug vorsieht – und ein Optionsmodell für nationale Kindergeldregeln. Hart gerungen werden dürfte über die Frist, wann Großbritannien die Sonderbehandlungen einstellen muss. Einige Regierungen plädieren für eine Regelung. wie es sie für die Freizügigkeit von Osteuropäern gab – sieben Jahre. Schließlich dürfte es auch noch einiges Tauziehen um die Formel im EU-Grundvertrag geben, dass die EU einen immer engeren Verbund anstrebt (“ever closer union”). London will sich dadurch nicht gebunden fühlen. Bilanz der FlüchtlingskriseDas zweite Thema des EU-Gipfels – die Flüchtlingskrise – dürfte sich ebenfalls als schwierig erweisen. Diplomaten berichten übereinstimmend, dass es nicht darum gehe, neue Maßnahmen zu beschließen. Vielmehr soll in einer Zwischenbilanz überprüft werden, inwieweit sich bisherige Verabredungen – vor allem in der Zusammenarbeit mit der Türkei – auswirken. Anders als bei vorangegangenen Treffen werden die Absprachen über die Umverteilung von Flüchtlingen, die bislang kaum eingehalten werden, heute und morgen nicht thematisiert. Vorrangiges Ziel sei es, erst einmal die Außengrenzen wirkungsvoll gegen illegale Einwanderung zu sichern. Wenn diese Gewissheit bestehe, seien einige Staaten aus der “Koalition der Willigen” zur Aufnahme legaler Migranten bereit, heißt es.