EU verlangt Aufklärung von USA

Befremden über Abhöraktionen - Brüssel verzichtet auf Drohung mit konkreten Strafaktionen

EU verlangt Aufklärung von USA

Die EU-Kommission und nationale Regierungen in Europa haben mit Befremden und Sorge auf die Berichte über weitreichende Abhöraktionen des US-Geheimdienstes in Europa reagiert. Allerdings bemühte sich die EU-Behörde um eine vorsichtige Antwort.fed/lz/dpa-afx Brüssel/Frankfurt/Berlin – Die EU-Kommission hat ihre Forderung bekräftigt, dass die USA nun erst einmal Klarheit schaffen sollten, was weitreichende Abhöraktionen des US-Geheimdienstes in Europa angeht. Man sei deshalb schon an verschiedenen Stellen im Gespräch, sagte eine EU-Sprecherin gestern in Brüssel. Es sei wichtig, dass diese Klärung “so schnell wie möglich” geschehe. Sie verzichtete darauf, mit Strafaktionen zu drohen.Auch die Bundesregierung reagierte mit Befremden und verlangte von Washington rasche Klarheit. “Wenn sich bestätigt, dass tatsächlich diplomatische Vertretungen der Europäischen Union und einzelner europäischer Länder ausgespäht worden sind, dann müssen wir ganz klar sagen: Abhören von Freunden, das ist inakzeptabel”, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert gestern in Berlin: “Wir sind nicht mehr im Kalten Krieg.” Auch Bundespräsident Joachim Gauck forderte Aufklärung.Nach Informationen des Nachrichtenmagazins “Der Spiegel” hat der US-Geheimdienst NSA nicht nur in EU-Gebäuden Wanzen installiert, sondern auch die Bundesregierung ausgeforscht. Die Zeitschrift beruft sich auf Dokumente des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden, der seit Wochen mit Angaben über den Umfang der Überwachung Schlagzeilen macht.EU-Justizkommissarin Viviane Reding hatte am Wochenende dafür plädiert, die Aufnahme der Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen zu überdenken. Europaabgeordnete der Grünen hatten sich zudem dafür ausgesprochen, die Lieferung von Daten über Finanztransaktionen oder Flugzeugpassagiere an die USA erst einmal auszusetzen. Davon war seitens der EU-Behörde nicht die Rede.EU-Währungskommissar Olli Rehn plädierte dafür, erst einmal die Aufklärung der Angelegenheit abzuwarten. Er sei “verärgert und besorgt”, sagte er bei einer Veranstaltung in Frankfurt. Sollten sich die Anschuldigungen bewahrheiten, sei dies ein “erschütternder Vorgang”, da die USA und die EU eigentlich die gleichen Freiheitswerte teilten. Ob der Vorfall aber konkrete Reaktionen der EU nach sich ziehen werde, werde man entscheiden, wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen.Der liberale Europaabgeordnete Alexander von Lambsdorff mahnte bei derselben Veranstaltung ebenfalls zur Zurückhaltung. Es sei aber nicht hinnehmbar, falls sich herausstelle, dass die “geheimdienstlichen Verfehlungen” mit dem Argument der Terrorbekämpfung abermals gesetzliche Grenzen überschritten haben. Einen Abbruch der Freihandelsgespräche hält er für überzogen.Auch die Bundesregierung bekräftigte grundsätzlich ihr Interesse an einem Freihandelsabkommen. Um ein solches Abkommen auszuhandeln, sei allerdings auch beiderseitiges Vertrauen nötig, schränkte Regierungssprecher Seibert ein. Er betonte, dass Kanzlerin Angela Merkel in Kürze mit US-Präsident Barack Obama über die Spähaffäre sprechen werde. Bereits am Wochenende habe die Bundesregierung Kontakt mit Washington gehabt. Seibert sagte, notwendig seien vollständige Aufklärung “und gegebenenfalls eine einstimmige und auch eine sehr deutliche europäische Reaktion”.SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück forderte Merkel auf, der Öffentlichkeit deutlich zu sagen, was sie über den Umfang des US-Ausspähprogramms wusste. Ihr bisher defensiver Umgang mit den Informationen verursache einen schalen Beigeschmack. Ob und seit wann die deutschen Nachrichtendienste über die US-Abhöraktivitäten gewusst haben, blieb gestern offen.US-Außenminister John Kerry bezeichnete unterdessen das Sammeln von Informationen in anderen Ländern als “nichts Ungewöhnliches”. US-Präsident Obama sagte den Europäern Aufklärung zu.