EU vor Sanktionen gegen Ukraine

Heute Sondersitzung der Außenminister - Deutsche Wirtschaft lehnt Strafmaßnahmen ab

EU vor Sanktionen gegen Ukraine

Im blutigen Konflikt in der Ukraine steuert die EU auf Sanktionen zu. Die deutsche Wirtschaft befürchtet dadurch aber eine Spaltung des Landes. Bundeskanzlerin Merkel sucht nun in einem Telefonat mit Russlands Staatschef Putin zu vermittlen.wf/fed Berlin/Brüssel – Die Europäische Union bereitet Strafmaßnahmen gegen die ukrainische Regierung vor, um auf die jüngste Eskalation der Gewalt im EU-Nachbarland zu reagieren. In Kiew war die Lage in der Nacht zum Mittwoch außer Kontrolle geraten. Nach Straßenschlachten stieg die Zahl der Toten bis gestern Abend auf mehr als 20 Menschen.EU-Kommissionschef José Manuel Barroso zeigte sich entsetzt über die Gewalt zwischen Polizei und Demonstranten. Er erneuerte zwar das Angebot, die Ukraine bei Reformen zu unterstützen, sprach nun aber auch von “gezielten Maßnahmen” gegen jene, die für Gewalt und übertriebenen polizeilichen Einsatz verantwortlich seien. Erwartet wird, dass die Außenminister bei einem eilig anberaumten Sondertreffen heute Sanktionen gegen Vertreter der ukrainischen Regierung oder ihre Verwandten und Unterstützer beschließen. Denkbar seien unter anderem das Einfrieren von Konten oder Einreiseverbote, hieß es.Grundsätzlich ist Brüssel seit Monaten bemüht, einer Abwendung der Ukraine von der EU gegenzusteuern – dabei aber, anders als die USA, auf einen konfrontativen Ansatz zu verzichten. Damit will sie das Risiko eines Bürgerkriegs nicht verstärken.Zu diesem Zweck führen EU-Diplomaten nicht nur Gespräche mit allen Kräften der Opposition – selbst jenen, deren politische Ausrichtung fragwürdig ist. Sondern sie bemühen sich auch um Kontakt und Einflussnahme auf die Oligarchen, die großen Einfluss auf die Abgeordneten im Parlament haben. Da für die Oligarchen im Falle einer Abkehr vom Westen finanziell einiges auf dem Spiel steht, erwartet die EU, dass jene Druck auf die heimische Regierung ausüben. Merkel spricht mit PutinDeutlicher wurden die Staatslenker von Deutschland und Frankreich, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident François Holland. Beide treten gemeinsam für Sanktionen gegen die Urheber der Gewalttaten in der Ukraine ein, erklärte Hollande bei einer Pressekonferenz zusammen mit Merkel nach einem Treffen beider Regierungen in Paris. Die Kanzlerin ergänzte: “Diejenigen, die sich für diese Taten zu verantworten haben, müssen wissen, dass sie auf jeden Fall sanktioniert werden.” Der Bundestag vereinbarte für den heutigen Vormittag eine Debatte zur Lage in der Ukraine. Merkel telefonierte am Abend mit dem russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin. Beide seien der Meinung gewesen, dass alles Notwendige getan werden müsse, um eine Eskalation der Gewalt in der Ukraine zu verhindern, hieß es in Berlin. Die Auszahlung der zweiten russischen Kredit-Tranche in Höhe von 2 Mrd. Dollar an die Ukraine sei “aus technischen Gründen” bis Freitag verschoben, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Bezug auf Regierungskreise in Kiew. Spaltung des LandesDie deutsche Wirtschaft wendet sich indessen gegen Sanktionen und forderte ein stärkeres Engagement der Bundesregierung. “Wir halten Wirtschaftssanktionen nur dann für gerechtfertigt, wenn sie Staaten und Regime betreffen, von denen Gefahr für andere Staaten ausgeht”, sagte der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, Eckhard Cordes, der Nachrichtenagentur Reuters. “Das ist in der Ukraine nicht der Fall.” Sanktionen würden derzeit nur die Spaltung des Landes fördern. Deutschland könnte am glaubwürdigsten einen Kompromiss vermitteln, damit die EU und Russland gemeinsam vorgehen.Nicht nur die politische, auch die wirtschaftliche Lage in der Ukraine ist desolat. Die Wirtschaftsleistung dürfte nach Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) 2013 geschrumpft und die Staatsverschuldung auf mehr als zwei Fünftel des Bruttoinlandsprodukts gestiegen sein. Dem Ost-Ausschuss zufolge befürchten 40 % der befragten deutschen Unternehmen in Russland negative Auswirkungen auf ihre Geschäfte wegen des Konfliktes.