EU will Reisefreiheit aufrechterhalten

Coronavirus-Beratungen in Brüssel - Kritik an Spahn-Vorstoß zu Exportstopp - Japan greift durch

EU will Reisefreiheit aufrechterhalten

Im Gegensatz zu zahlreichen Ländern in Asien will die Europäische Union die Reisefreiheit der Bürger wegen der Coronavirus-Epidemie nicht einschränken. Debatten gibt es aber wegen der EU-Abhängigkeiten von China und des Mangels an Schutzkleidung. Deutsche Exportbeschränkungen sorgten in Brüssel für Ärger. ahe/wü/mf Brüssel/Paris/Tokio – Trotz der immer stärkeren Verbreitung des Coronavirus in Europa soll es in der EU keinerlei zusätzliche Reisebeschränkungen geben. Die Freizügigkeit an den Grenzen werde grundsätzlich aufrechterhalten, hieß es am Freitag nach Beratungen der EU-Gesundheitsminister in Brüssel. Der deutsche Ressortchef Jens Spahn rief allerdings dazu auf, alle nicht notwendigen Reisen – insbesondere in Risikogebiete – vorerst nicht anzutreten.In anderen Regionen weltweit wurden dagegen neue Reisebeschränkungen verhängt. Insbesondere die japanische Regierung ergreift immer drastischere Maßnahmen, um die Zahl der Neuansteckungen zu verringern. Nach der Schließung aller Schulen für zunächst einen Monat verhängte Premier Shinzo Abe nun eine Einreisesperre für alle Ankommenden aus Südkorea und China. Ab dem 9. März werden 2,8 Millionen schon ausgestellte Visa für Chinesen und 17 000 Visa für Südkoreaner für den Monat März ungültig. Flugzeuge aus den beiden vom Coronavirus geplagten Ländern dürfen nur noch in Narita (Tokio) und Kansai (Osaka) landen. Alle Besucher aus China und Südkorea müssen sich zwei Wochen lang in staatlich organisierte Quarantäneorte begeben.Daraufhin hob Südkorea die Visafreiheit für Japaner auf und verhängte ebenfalls eine zweiwöchige Quarantäne für Einreisende. Die gegenseitige Abriegelung dürfte der Wirtschaft beider Länder neuen Schaden zufügen.In der EU sorgte unterdessen der Mangel an Schutzkleidung und Masken für Debatten. Für Ärger sorgte auf dem außerordentlichen Treffen der Gesundheitsminister die von Spahn zuvor verkündeten deutschen Exportbeschränkungen. Der italienische Minister Roberto Speranza mahnte, man müsse in der EU zusammenarbeiten: “Wir dürfen uns zwischen europäischen Staaten keinen Krieg liefern, das würde nur die Preise für diese Gegenstände in die Höhe treiben.” Auch EU-Krisenkommissar Janez Lenarcic sagte, Exportbeschränkungen seien zwar im Binnenmarkt in Ausnahmefällen möglich. Es wäre aber uneuropäisch, den eigenen Markt zu schließen. In der EU sei Solidarität gefordert. Die Schutzkleidung müsse in Europa dahin gelangen, wo sie besonders benötigt werde. Ähnlich äußerte sich Belgiens Ressortchefin Maggie De Block: Exportauflagen seien “nicht im Geist der EU”. Paris erwägt Alarmstufe 3Spahn forderte derweil die EU-Kommission auf, für die gesamte EU ein Exportverbot für Schutzkleidung und Masken in Kraft zu setzen. Seinen Angaben zufolge hatte der Ministerrat in diesem Zusammenhang auch noch einmal die Abhängigkeiten der EU von China im Gesundheitswesen diskutiert. “Wir sollten als Europäische Union nicht in diesem Umfang wirtschaftlich und in unseren Lieferketten abhängig sein von China”, betonte der CDU-Politiker in Brüssel. Es müsse wieder mehr Produktion in der EU stattfinden. Vor dem Wochenende waren 4 200 Coronavirus-Infektionen in der EU registriert worden. In Deutschland waren es über 500, in Frankreich 577.In Paris bereiten die Behörden den Ausruf von Alarmstufe 3 vor. “Oberste Priorität ist, die Schwächsten zu schützen”, sagte Präsident Emmanuel Macron nach einem Treffen mit Gesundheitsexperten. Er ließ durchklingen, dass er von der Idee, alles zu schließen, nichts hält. Dennoch dürfte Alarmstufe 3 weitreichende Folgen haben. Denn die Behörden könnten in dem Fall beschließen, den öffentlichen Verkehr einzuschränken und in besonders betroffenen Regionen Schulen und Kinderkrippen zu schließen. Bereits jetzt sind Veranstaltungen mit mehr als 5 000 Personen in geschlossenen Räumen verboten. Bei Alarmstufe 3 könnten weitere Veranstaltungen abgesagt werden. Eine Verschiebung der Kommunalwahlen am 15. und 22. März ist vorerst nicht geplant.Unterdessen berät das japanische Parlament ein überarbeitetes Notstandsgesetz, das am 13. März verabschiedet werden soll. Dann könnte Premier Abe die Bewegungsfreiheit der Bürger einschränken und Enteignungen anordnen. Jedoch gelingt es der Regierung bisher nicht einmal, genug Virustests und Schutzmasken zu organisieren. Das Kabinett verbot jetzt den Wiederverkauf von Masken im Internet, zugleich gab es 1 Million Masken aus der Notfallreserve der Streitkräfte frei. Beobachter äußerten den Verdacht, die Regierung wolle die Verbreitung der Epidemie verbergen, um die Olympischen Spiele nicht zu gefährden. Offiziell wurden 333 Infizierte und sechs Tote gezählt.