Euro-Hüter kontern Kritik an Mini-Zinsen

EZB attestiert positiven Effekt auf das Nettozinseinkommen im Euroraum - Staat als Profiteur

Euro-Hüter kontern Kritik an Mini-Zinsen

ms Frankfurt – Die rekordniedrigen Zinsen im Euroraum in den vergangenen Krisenjahren haben laut einer Analyse der Europäischen Zentralbank (EZB) das Zinseinkommen von Privathaushalten, Unternehmen und Staaten unter dem Strich erhöht – und nicht verringert. Die größten Gewinner sind laut der Untersuchung, die die EZB gestern in ihrem neuen Wirtschaftsbericht veröffentlichte, nichtfinanzielle Unternehmen und der Staat, während der Finanzsektor als Verlierer gilt. Bei den privaten Haushalten sei der Effekt “weitgehend neutral”, so die EZB.Für ihre Analyse hat die Notenbank die Auswirkungen der Niedrigzinsen, die nicht zuletzt von der ultralockeren Geldpolitik beeinflusst sind, auf die Nettozinseinkommen seit Herbst 2008 in neun Ländern betrachtet – unterteilt nach Sektoren (siehe Grafik). Bei der Nettobetrachtung werden Zinserträge, etwa auf Spareinlagen, Zinsaufwendungen, etwa für Kredite, gegenübergestellt. Zu enger BlickwinkelMit der Analyse untermauert die EZB ihren Widerstand gegen Kritik an der ultralockeren Geldpolitik, nicht zuletzt aus Deutschland. Die EZB-Politik enteigne Sparer und schädige Banken, ist speziell aus Deutschland oft zu hören. Die Euro-Hüter dagegen argumentieren, diese Kritik sei zu verengt: Haushalte seien nicht nur Sparer, sondern etwa auch Kreditnehmer – oder auch Arbeitnehmer, argumentiert auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Die Banken wiederum profitierten auch, wenn sich die wirtschaftliche Lage durch die Geldpolitik verbessere.In ihrer neuen Untersuchung fokussiert die Notenbank nun rein auf das Nettozinseinkommen. “Mit Blick auf das Euro-Währungsgebiet insgesamt haben sich die niedrigeren Zinssätze positiv auf das Nettozinseinkommen ausgewirkt”, heißt es in dem Bericht. Allerdings gebe es unter den einzelnen Sektoren Gewinner und Verlierer. Als ein großer Gewinner gelten die Staaten, weil die Anleiherenditen stark gesunken sind. Unlängst hatte bereits die Bundesbank vorgerechnet, dass die Euro-Staaten seit 2008 knapp 1 Bill. Euro an Zinszahlungen auf ihre Schulden gespart hätten.Laut EZB hat der Staatssektor in Deutschland, Belgien und Frankreich am meisten profitiert. In den Krisenländern sei der Nutzen dagegen relativ betrachtet geringer gewesen – “da gleichzeitig ein Anstieg der Risikoprämien für Staatsanleihen zu verzeichnen war”. Auf Unternehmensseite hätten insbesondere die Firmen in Frankreich, Finnland, Italien und Spanien profitiert. Dagegen musste speziell der Finanzsektor in Frankreich Einbußen hinnehmen. Einzig in Portugal profitierten Banken und andere Finanzunternehmen. Große UnterschiedeWas die privaten Haushalte betrifft, sieht die EZB in der Nettobetrachtung einen nahezu neutralen Effekt. Sie räumt allerdings ein, dass sich die Auswirkungen von Land zu Land stark unterscheiden. Als Verlierer sieht sie da aber nicht Deutschland. Wie etwa auch für Frankreich und Portugal sei die Veränderung des Nettozinseinkommens der Haushalte “vernachlässigbar”. Verlierer seien vielmehr Belgien, Österreich und Italien. In diesen Ländern entfalle ein großer Anteil des Geldvermögens der Haushalte auf zinstragende Aktiva. Als Gewinner sieht die EZB die Haushalte in Finnland, den Niederlanden und Spanien.