Euro-Industrie legt einen Zahn zu
ba Frankfurt
Die Euro-Industrie hat auch im September die Produktion stärker ausgeweitet als erwartet. Da zudem die Fertigung im August höher ausgefallen ist als zunächst gemeldet, scheinen sich die Unternehmen trotz Energiekrise, hoher Inflation, Materialmangel und der Unsicherheit infolge des Ukraine-Kriegs im dritten Quartal insgesamt gesehen doch etwas besser zu halten, als die Stimmungsindikatoren vermuten lassen. Allerdings ist das Gefälle mit Blick auf die verschiedenen Sektoren groß – der Verband der Chemischen Industrie (VCI) etwa warnt vor „weiteren dunklen Monaten“ für die besonders energieintensive, drittgrößte deutsche Industriebranche (siehe Bericht Seite 9).
Laut Eurostat fertigten die Industrieunternehmen im Euroraum im September 0,9% mehr als im Vormonat. Ökonomen hatten mit einem Plus von 0,5% gerechnet. Zudem revidierten die Luxemburger Statistiker den Augustwert nach oben: Statt der zunächst gemeldeten 1,5% wurde der Ausstoß um 2,0% gesteigert. Im Vergleich zum Vorjahr stieg der Output um 4,9%. Ökonomen hatten hier mit einem Wachstum von 3,0% gerechnet nach dem Plus von revidiert 2,8 (zunächst: 2,5)%.
Am stärksten stieg die Produktion von Verbrauchsgütern – und zwar um 3,6% im Monatsvergleich. Firmen stellen 1,5% mehr Investitionsgüter her, während die Produktion von Vorleistungsgütern sowie von Gebrauchsgütern um 0,9% sank. Die Energieerzeugung ging um 1,1% zurück.
Unter den Mitgliedstaaten, für die Daten vorliegen, wurden die höchsten monatlichen Anstiege in Irland (11,9%) und Belgien (7,1%) registriert. Die kräftigsten Rückgänge wiederum wurden laut Eurostat in Litauen (−8,2%) und Griechenland (−4,5%) beobachtet. Aber auch in den nach Deutschland größten Euro-Volkswirtschaften schränkte die Industrie die Produktion deutlich ein: In Italien beträgt das Minus 1,8% im Monatsvergleich, in Frankreich 0,7% und in Spanien 0,4%.
Die hiesige Industrie wiederum weitete die Fertigung im September um 0,8% aus. Gerade in Deutschland sind die Sorgen um die Industrie groß, denn sie steht für knapp ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts. Um den Industriestandort Deutschland „fit für die Zukunft zu machen und im Sinne sicherer und gut bezahlter Arbeitsplätze zu stärken“, hat nun das Bündnis „Zukunft der Industrie“ aus Industriegewerkschaften, Wirtschafts- und Arbeitgeberverbänden Handlungsempfehlungen zu Themen der nationalen und der europäischen Klima- und Energiepolitik vorgelegt, die nun diskutiert werden sollen. In der Industriekonferenz des Bündnisses am 29. November 2022 sollen Ergebnisse und die nächsten Schritte präsentiert werden.
Denn die Perspektiven sind angesichts des anhaltenden konjunkturellen Gegenwinds trübe – in Deutschland, aber auch im Euroraum insgesamt. Der Industrieverband BDI etwa erwartet in seinem globalen Ausblick ein Wachstum der Weltwirtschaft von 2,25% im kommenden Jahr – nach 3% in diesem. „Das ist ein enorm schlechter Wert“ – und wäre das drittschlechteste Ergebnis in den vergangenen 32 Jahren. Die transatlantische Rezession treffe den Arbeitsmarkt aber weniger als früher. Den Welthandel sieht der BDI 2023 um 1,5% zulegen.