Einkaufsmanagerindex

Euro-Industrie rutscht noch tiefer in die Krise

Die Industrie im Euroraum ist im Juli noch tiefer in die Krise gerutscht. Am heftigsten trifft es das verarbeitende Gewerbe in Deutschland und Österreich, wie die endgültigen Daten der Einkaufsmanagerumfrage zeigen.

Euro-Industrie rutscht noch tiefer in die Krise

Euro-Industrie rutscht weiter ab

Stimmung so mau wie zuletzt in Finanzkrise – Einkaufsmanagerindex sinkt

ba Frankfurt

Die Industrie im Euroraum ist im Juli noch tiefer in die Krise gerutscht. Der Sektor schrumpfte mit Ausnahme der Monate des Corona-Lockdowns so kräftig wie seit der globalen Finanzkrise 2008/2009 nicht mehr. Dies gilt auch für die entsprechenden Unterindikatoren des Einkaufsmanagerindex (PMI) zu Verkaufspreisen, Exportneugeschäft, Auftragsbeständen, Einkaufsmenge und der Nachfrage nach Eurozone-Industrieerzeugnissen, wie S&P Global auf Basis der endgültigen Daten am Dienstag mitteilte. Produktion, Auftragseingang, Beschäftigung und Einkaufsmenge sind mit beschleunigten Raten gesunken.

Der PMI für die Euro-Industrie fiel im Juli um 0,7 auf 42,7 Punkte. So niedrig stand der Indikator zuletzt im Mai 2020. Damit wurde die Erstschätzung bestätigt: Der PMI liegt mit dem sechsten Rückgang in Folge zum dreizehnten Mal hintereinander unter der Marke von 50 Punkten, ab der Wachstum angezeigt wird. „Es sieht so aus, als ob die Rezession im verarbeitenden Gewerbe in der Eurozone noch länger anhält“, kommentierte Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt des S&P-Partners Hamburg Commercial Bank. Die Wirtschaft insgesamt werde im zweiten Halbjahr einen holprigen Weg vor sich haben.

„Klassischer Lagerhaltungszyklus“

Die schwierige Lage in der Industrie wertet de la Rubia als „Ergebnis eines klassischen Lagerhaltungszyklus, bei dem die Unternehmen zu viele Waren gekauft haben“. Wenn sich die Unternehmen an die neue Realität der geringeren Nachfrage und der kürzeren Lieferzeiten anpassten, werde es zu überzogenen Reaktionen in Form von Lagerabbau kommen. Daher erwartet der Chefvolkswirt für das nächste Jahr einen erneuten Lageraufbau, „der den Sektor aus der Talsohle führt“. Bis dahin stünden aber noch einige magere Zeiten bevor. Die Industrie leidet unter der globalen Nachfrageschwäche, insbesondere in den wichtigsten Exportländern der Eurozone wie den USA und China. Wegen der rasant sinkenden Auftragsbestände haben die Hersteller im Juli weiter Jobs abgebaut, wenn auch „immer noch in einem maßvollen Tempo“. Im Juni hatte der Arbeitsmarkt im gemeinsamen Währungsraum noch seine Robustheit bewiesen: Die Arbeitslosenquote verharrte bei 6,4%, wie das Statistikamt Eurostat ebenfalls am Dienstag mitteilte.

Erzeugerpreise sinken

Die Europäische Zentralbank (EZB), so vermutet de la Rubia, „wird erfreut sein, dass die Deflation der Erzeugerpreise wieder an Fahrt aufgenommen hat und so schnell wie seit fast 14 Jahren nicht mehr gesunken ist“. Die Sorgen um die Inflation im Dienstleistungssektor bleibe jedoch „ganz weit oben auf der Tagesordnung“. Die EZB hat seit der Zinswende im vergangenen Sommer den Leitzins neunmal um insgesamt 425 Basispunkte im Kampf gegen die hohe Inflation nach oben geschleust.

Nachdem die Euro-Wirtschaft im zweiten Quartal um 0,3% zugelegt hat, die Inflationsrate aber kaum sinkt – im Juli von 5,5% auf 5,3% –, haben die Tauben im EZB-Rat kaum Argumente für ein Ende der Zinserhöhungen. Im EZB-Rat ist der weitere geldpolitische Kurs umstritten. Ökonomen warnen, dass sich die Wirkungen der Zinserhöhungen erst im Verlauf der kommenden Monate in der Breite der Wirtschaft entfalten werden.

Wachstum nur in Griechenland

Auf Länderebene verzeichneten mit Ausnahme Griechenlands sämtliche Volkswirtschaften einen schrumpfenden Industriesektor. Laut S&P stecken Deutschland und Österreich mit einem Zählerstand von 38,8 Punkten besonders tief in der Krise, hier notierten die PMIs auf den tiefsten Werten seit Mai bzw. April 2020. Der PMI für Italiens Industrie erholte sich leicht.

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