Geldpolitik

Euro-Kerninflation dürfte nur allmählich sinken

Die Kerninflation in der Eurozone liegt laut einer Analyse der Commerzbank bis zum Herbst über 5%. Ein Ende des Zinszyklus der EZB ist damit noch nicht in Sicht.

Euro-Kerninflation dürfte nur allmählich sinken

Euro-Kerninflation dürfte nur allmählich sinken

Commerzbank-Studie sieht Rate bis Herbst über 5 Prozent – Falkenhafte Töne bei EZB nehmen zu

mpi Frankfurt

Rund zwei Wochen vor dem mit Spannung erwarteten Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) nimmt die Debatte um den weiteren geldpolitischen Kurs der Notenbank an Fahrt auf. Im Zentrum der Diskussionen steht dabei unter anderem die Kerninflation, also die Teuerungsrate ohne Berücksichtigung der schwankungs­anfälligen Lebensmittel- und Energiepreise. Die Energiepreise reduzieren inzwischen die Gesamtinflationsrate, da die Preise für Energieträger wie Gas
und Strom im Vergleich zum März 2022 – kurz nach Beginn des russischen
Angriffs auf die Ukraine – niedriger sind. Die Lebensmittelpreise sind hingegen im vergangenen Monat der Haupttreiber der Inflation gewesen, wie das Statistikamt Eurostat am Mittwoch bei der Bekanntgabe der endgültigen Zahlen zur Teuerungsrate mitteilte.

Während die Gesamtteuerungsrate wegen der niedrigeren Energiepreise im März auf 6,9% gefallen ist nach 8,5% im Februar, kletterte die Kerninflation jedoch mit 5,7% auf ein neues Rekordhoch. Das lag vor allem daran, dass die Preise im Dienstleistungssektor anziehen. Die Kernrate gilt als guter Indikator für den zugrundeliegenden Inflationsdruck, da sie widerspiegelt, inwieweit Unternehmen die höheren Kosten, etwa für Gas und Strom, bereits an ihre Kunden weitergegeben haben.

Noch kein Ende in Sicht

Zwar bezieht sich das 2-%-Ziel der EZB auf die Gesamtinflationsrate und nicht auf die Kerninflation, doch mehrere Ratsmitglieder, darunter Bundesbank-Präsident Nagel, betonen, dass ein Ende des Zinszyklus erst dann auf der Agenda steht, wenn die Kernrate deutlich sinkt. Insofern deutet ein Research-Bericht der Commerzbank darauf hin, dass noch weitere Erhöhungen der Leitzinsen in den kommenden Monaten bevorstehen werden.

Laut der Analyse dürfte die Kerninflation bis in den Herbst hinein über 5% liegen und auch danach nur allmählich weiter sinken. Zwar dürfte die Teuerung bei industriellen Vorprodukten deutlich nachlassen, doch es dürfte dauern, bis dieser Effekt auch bei den Verbrauchern ankommt, schreibt Marco Wagner, Senior Economist bei der Commerzbank. Zudem geht der Ökonom davon aus, dass die Preise im Dienstleistungssektor im weiteren Jahresverlauf weiter anziehen werden. Die Commerzbank rechnet derzeit damit, dass die EZB die Leitzinsen im Mai und Juni jeweils um 25 Basispunkte anheben wird, ehe der aktuelle Zinszyklus sein Ende findet.

Einen höheren Zinsschritt im Mai kann sich EZB-Chefvolkswirt Philip Lane vorstellen. Auf einer Konferenz der Nachrichtenagentur Bloomberg schloss er am Dienstag eine Erhöhung um 50 Basispunkte nicht aus. „Zum jetzigen Zeitpunkt, zwei Wochen vorher, denke ich, dass wir die Zinssätze im Mai tatsächlich erhöhen sollten“, sagte Lane. Ob um 25 oder 50 Basispunkte hänge von den weiteren Daten ab, die bis zur Zinssitzung am 4. Mai anfallen. Dazu zählen etwa Einzelheiten zum Kreditwachstum aus einer vierteljährlichen Umfrage über die Kreditvergabe der Banken, die zwei Tage vor dem Zinsentscheid erscheint.

Für die US-Großbank Goldman Sachs wird es eine „knappe Entscheidung“ zwischen 25 und 50 Basispunkten werden. „Ein Schritt um einen halben Punkt ist durchaus möglich, wenn die Daten stärker sind, einschließlich geringer Anzeichen für eine weitere Verschlechterung der Kreditkonditionen der Banken und einer höheren Inflationsrate im April.“