Wirtschaftsstimmung

Euro-Konjunktur wird skeptischer eingeschätzt

Der Blick auf die Euro-Wirtschaft fällt derzeit nicht eben rosig aus: Während die Dienstleister weiter zulegen – wenn auch weniger dynamisch – geht es für die Industrie weiter abwärts. Börsianer erwarten noch Schlimmeres.

Euro-Konjunktur wird skeptischer eingeschätzt

Euro-Konjunktur wird skeptischer eingeschätzt

Wirtschaftsstimmung sinkt stärker als erwartet – Sentix-Barometer gibt deutlich nach

ba Frankfurt

Die Aussichten für die Euro-Wirtschaft sind trübe. Nicht nur, dass sich die Stimmung in der Privatwirtschaft im Mai etwas stärker als erwartet verschlechtert hat, auch die Konjunktursorgen der Börsianer haben im Juni weiter zugenommen. Zudem dürften die rund um den Globus restriktiven geldpolitischen Straffungen im weiteren Jahresverlauf die Nachfrage und damit die Konjunktur insgesamt weiter dämpfen.

Im Euroraum waren es auch im Mai die Dienstleister, die für Schwung sorgten, während die Industrie schwächelte. Der die beiden Sektoren zusammenfassende Einkaufsmanagerindex (PMI) Composite ist den endgültigen Zahlen zufolge um 1,3 auf 52,8 Punkte gefallen – Ökonomen hatten eine Bestätigung der Erstschätzung von 53,3 Zählern erwartet. Das Barometer der Dienstleister liegt laut S&P Global mit 55,1 Punkten zwar erneut klar im Wachstumsbereich – also oberhalb der neutralen Marke von 50 Zählern – und auch deutlich über seinem Langzeit-Durchschnittswert. Die Entwicklung der beiden Sektoren klaffte weiter auseinander: Der Servicesektor expandierte – wenn auch in geringerem Tempo –, wohingegen die Industrieproduktion so stark zurückging wie zuletzt im November 2022. Den herben Verlusten der Industrie im Neugeschäft standen „abermals recht ordentliche Zuwächse“ der Serviceanbieter gegenüber.

„Gestützt wird der Dienstleistungssektor durch die weiter gute Arbeitsmarktlage, steigende Löhne und einen in ganz Europa florierenden Tourismus“, betonte Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt des S&P-Partners Hamburg Commercial Bank (HCOB). Aus geldpolitischer Sicht nannte Rubia die PMI-Preisdaten „alles andere als beruhigend“. Zwar zeigt der Index für die Verkaufspreise erstmals seit September 2020 einen Rückgang an. Dienstleistungsunternehmen seien jedoch „sogar in der Lage gewesen, die Preise stärker zu erhöhen als im Vormonat, insbesondere in Deutschland und Frankreich“. Insofern sei gut möglich, dass der jüngste unerwartet deutliche Inflationsrückgang, der unter anderem aus Frankreich, Spanien und Deutschland berichtet wird, „sich nicht in diesem Tempo fortsetzt“, erwartet der HCOB-Chefvolkswirt.

Unter den Länder tanzte Deutschland „etwas aus der Reihe, denn dort hat sich das Wachstum beschleunigt, in den anderen drei großen Euro-Ländern hingegen verlangsamt“, betonte Rubia. Der PMI Composite für Deutschland liege mit 53,9 Punkten – 0,4 Zähler weniger als in der Erstschätzung ermittelt – „zur Quartalsmitte komfortabel auf Wachstumsterrain“, heißt es bei S&P Global. Der Servicesektor dürfte die Schwäche der Industrie überkompensieren können und dafür sorgen, „dass die jüngst von Destatis vermeldete technische Rezession in Deutschland auf zwei Quartale beschränkt bleibt“, erwartet Rubia. Frankreich hingegen steche bei den Neuaufträgen negativ hervor: „Man kann vermuten, dass die dortigen verstärkten Streik- und Protestaktivitäten der letzten Monate nunmehr doch ihre Spuren hinterlassen haben.“

Die monatlich 1.197 von Sentix befragten Börsianer zeichnen ein deutlich trüberes Konjunkturbild. Euroland sei im Sog der deutschen Misere, die hiesige Wirtschaft „erlebt derzeit einen regelrechten Absturz“, kommentierte Sentix-Geschäftsführer Manfred Hübner. Der Gesamtindex für die Eurozone ist um 3,9 auf –17 Punkte gefallen. Dabei steche vor allem der deutliche Einbruch der Lagebeurteilung um 8,8 auf –15,8 Zähler ins Auge. „Damit stellt sich für die Eurozone nun ebenfalls die Frage nach einer bereits begonnenen Rezession. Eine Frage, die für Deutschland bereits beantwortet ist“, mahnte Hübner.

Der Gesamtindex für die größte Euro-Volkswirtschaft sank um 6,6 auf –21,1 Punkte, Lage- und Erwartungsbarometer gaben ebenfalls deutlich nach. „Damit liegen die Werte wieder so schwach wie im letzten Winter, als die Sorgen vor einer Strom- und Energiekrise die Anleger beunruhigten“, erklärte Hübner. „Für Deutschland schrillen die Alarmglocken, und das völlig zu Recht“, kommentierte Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Immer mehr sehe es danach aus, dass das laufende Quartal eine weitere Enttäuschung bereithalte.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.