EZB-KURS IM BRENNPUNKT

Euro-Notenbanker ringen um Zukunft der Anleihekäufe

Mehrheit im EZB-Rat favorisiert "Lower for longer"-Strategie - Kompromiss mit QE-Gegnern wie Weidmann möglich - Klares Enddatum für Käufe umstritten

Euro-Notenbanker ringen um Zukunft der Anleihekäufe

Morgen kommt der EZB-Rat zur wichtigsten Zinssitzung seit langem zusammen. Es geht um die ultralockere Geldpolitik und die Anleihekäufe im Jahr 2018. Die Meinungen der Notenbanker gehen teils auseinander – aber auch Kompromisse scheinen möglich.Von Mark Schrörs, FrankfurtSeit Wochen wird spekuliert, diskutiert und (halb)öffentlich gestritten – aber jetzt wird endlich auch entschieden: Am morgigen Donnerstag will der EZB-Rat die Weichen für die Zukunft seiner ultralockeren Geldpolitik und speziell der Anleihekäufe (Quantitative Easing, QE) im Jahr 2018 stellen. EZB-Präsident Mario Draghi jedenfalls hat den “Großteil” der Entscheidungen für diesen Donnerstag avisiert – wohl auch, weil danach die nächste geldpolitische Sitzung erst am 14. Dezember steigt. Aktuell läuft QE Ende 2017 aus.Der EZB-Rat steuert dabei auf eine Strategie des “Lower for longer” zu (vgl. BZ vom 14. Oktober). Das monatliche Kaufvolumen würde stärker reduziert als lange Zeit von den Märkten erwartet. In Notenbankkreisen wird eine Halbierung auf 30 Mrd. Euro oder gar noch etwas weniger erwogen. Dafür würde QE länger fortgeführt als zunächst gedacht. Im Gespräch sind neun Monate oder sogar mehr. In den vergangenen Wochen hatte vor allem EZB-Chefvolkswirt Peter Praet wiederholt öffentlich für eine solche Strategie geworben. Notenbankchef Draghi hatte sich Mitte Oktober am Rande der IWF-Jahrestagung in Washington hinter diese Worte gestellt.Ein solches “Lower for longer” bietet aus Sicht vieler in der EZB zwei Vorteile: Zum einen reduziert es das Risiko, dass das Eurosystem aus EZB und nationalen Zentralbanken bei QE rasch an selbst gesetzte Grenzen wie vor allem die Kaufobergrenze von 33 % je Anleihe und Emittent stößt – etwa bei Bundesanleihen. In Notenbankkreisen gibt es verschiedenste Schätzungen, wie viel die EZB noch zusätzlich kaufen kann. Einige gehen von nur noch rund 200 Mrd. Euro aus. Andere sprechen eher von 250 Mrd. Euro oder etwas mehr. Je weniger die EZB pro Monat kauft, desto länger kann sie an den Märkten präsent bleiben – und im Notfall korrigierend eingreifen.Wie die Börsen-Zeitung früh berichtet hatte, bietet eine solche Strategie aber zum anderen aus Sicht wichtiger Euro-Notenbanker vor allem auch den Vorteil, dass damit mögliche Zinserhöhungen weiter in die Zukunft verschoben würden, weil die EZB diese erst “weit” nach dem Ende von QE erwägen will (vgl. BZ vom 5. und 6. September). Das könnte an den Märkten die Effekte einer QE-Reduzierung mildern. Bei einer Verlängerung der Käufe bis weit ins Jahr 2018 hinein wären Zinserhöhungen vor dem Jahr 2019 wohl endgültig kein Thema mehr.Eine Mehrheit im Rat scheint eine solche Strategie im Sinne einer überaus vorsichtigen Normalisierung zu favorisieren. Hintergrund ist die weiter gedämpfte Inflation. Im September lag sie bei 1,5 %, und selbst für 2019 sagen die EZB-Volkswirte aktuell im Schnitt nur 1,5 % voraus. Die EZB strebt mittelfristig unter, aber nahe 2 % an. Diese Notenbanker wollen klarere Signale sehen für einen nachhaltigen Anstieg der Teuerung, vor allem bei der Kernrate (ohne Energie und Lebensmittel). Diese lag im September nur bei 1,1 %. Sie sorgen sich auch um die Glaubwürdigkeit des 2 %-Ziels und der EZB.Die Hardliner im Rat wie Bundesbankchef Jens Weidmann, EZB-Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger oder der niederländische Zentralbankchef Klaas Knot dagegen betonen eher die überraschend gute Konjunkturlage. Die Euro-Wirtschaft steuert 2017 auf das stärkste Wachstum seit 2007 zu. Die EZB-Volkswirte prognostizieren ein Plus von 2,2 %. Das werde über kurz oder lang die Inflation anheizen, argumentieren Weidmann & Co. Auf vorgelagerten Stufen baut sich bereits etwas Preisdruck auf. Sie betonen auch, dass die Geldpolitik selbst bei einem Ende von QE weiter extrem expansiv bleiben werde. Sie befürchten zudem, dass das “unkonventionelle” Instrument der Staatsanleihekäufe zur Normalität wird, wenn es immer länger zum Einsatz kommt.Wie die Börsen-Zeitung bereits früher berichtet hatte, könnten aber möglicherweise selbst bisherige QE-Gegner wie Weidmann einer deutlichen Verlängerung bei stark reduzierten Käufen zustimmen – vorausgesetzt, es gibt ein klares Signal für das QE-Ende (vgl. BZ vom 14. Oktober). Ein solcher Kompromiss wird in Notenbankkreisen weiter für möglich gehalten. Weidmann hatte auch stets ein abruptes QE-Ende ausgeschlossen. Zugleich hatte er aber bereits vor der September-Sitzung im Interview der Börsen-Zeitung für einen “zügigen” Ausstieg 2018 und für einen klaren Exitplan geworben (vgl. BZ vom 24. August). Viele Notenbanker sind da jedoch zurückhaltender. Sie wollen größtmögliche Flexibilität, um die Käufe falls nötig erneut zu verlängern. Der Rat hat jetzt auch nur eine “Kalibrierung” der Geldpolitik in Aussicht gestellt. Worte wie “Exit” oder “Tapering”, also ein Herunterführen der Käufe auf null, vermeiden die meisten Notenbanker.Die große Frage ist nun, wie ein Kompromiss aussehen könnte – falls Draghi auf größtmöglichen Konsens aus ist. Bislang hatte der Rat zwar immer ein Enddatum gesetzt, aber zugleich stets klar signalisiert, dass es falls nötig darüber hinausgehe – was dann auch stets passierte. Eine Wiederholung dieser Formulierung dürften den Hardlinern kaum reichen. Sie stören sich zudem daran, dass in der aktuellen Kommunikation eine starke explizite Verknüpfung zwischen den QE-Nettokäufen und dem Erreichen des 2 %-Ziels hergestellt wird. Sie dringen darauf, den Fokus auf die Nettokäufe zu mindern und insgesamt die ultralockere Geldpolitik mit Niedrigzinsen und QE-Reinvestitionen in den Blickpunkt zu stellen – die sie generell unterstützen.