Euro-Notenbanker verschärfen Kritik an Fiskalpolitik
Euro-Notenbanker verschärfen Kritik an Fiskalpolitik
Knot: Keine Bereitschaft, uns zu unterstützen – Debatte über optimalen Mix von Geld- und Fiskalpolitik
ms Frankfurt
Mehrere Euro-Notenbanker haben die Kritik an einer aus ihrer Sicht zu expansiven Fiskalpolitik im Euroraum noch einmal deutlich verschärft. Die Fiskalpolitik sei unangemessen expansiv ausgerichtet und die Politik nicht willens, die Europäische Zentralbank (EZB) im Kampf gegen die zu hohe Inflation zu unterstützen, sagte EZB-Ratsmitglied Klaas Knot jetzt laut der Nachrichtenagentur Bloomberg bei einer Konferenz in der Slowakei. Andere Zentralbanker pflichteten ihm bei. Der slowakische Notenbankchef Peter Kazimir etwa sagte bei derselben Konferenz, die aktuellen Generation der Finanzminister sei zu ausgabefreudig.
Beispiellose Zinserhöhungen
Die EZB hat sich in den vergangenen Monaten wiederholt kritisch geäußert und die Fiskalpolitik ermahnt, den Kampf gegen die Inflation und die Zinserhöhungen nicht durch einen zu konjunkturstimulierenden Kurs zu untergraben. Die jetzigen Aussagen sind aber im Ton noch einmal deutlich schärfer. Nicht zuletzt in Deutschland wird wegen der Konjunkturschwäche über neue Wirtschaftsimpulse diskutiert. Die Inflation im Euroraum ist zwar deutlich von 10,6% im Oktober 2022 auf zuletzt 4,3% gesunken. Das liegt aber immer noch klar oberhalb des 2-Prozent-Ziels der EZB. Die EZB hat seit Juli 2022 ihre Leitzinsen um 450 Basispunkte erhöht und damit so aggressiv wie nie.
Vor allem in der Coronakrise hatten auch im Euroraum die Geld- und die Fiskalpolitik sehr eng zusammengearbeitet – für manchen Kritiker sogar zu eng. Das war möglich, weil die Inflation vor der Pandemie sogar unter dem Zielwert der EZB lag. Das hat sich gedreht. Im September hatten Finanzminister und Notenbanker beim informellen Ecofin in Spanien intensiv über den jetzt optimalen Mix von Geld- und Fiskalpolitik beraten. Das Thema dürfte diese Woche auch bei der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) im marokkanischen Marrakesch heiß diskutiert werden.
Die EZB sehe sich mit einem fiskalischen Kurs konfrontiert, der "in keiner Weise mit der zyklischen Lage unserer Wirtschaft übereinstimmt", sagte EZB-Ratsmitglied Knot jetzt. "Und es gibt keine Bereitschaft, uns bei dem Versuch zu unterstützen, die Wirtschaft des Euroraums zu stabilisieren", fügte der niederländische Zentralbankchef hinzu. "Seit fast vier Jahren sehen wir eine immer noch expansive Ausrichtung der Finanzpolitik", so Knot beim Tatra-Gipfel. Ob die Zinssätze im Euroraum nun ihren Höhepunkt erreicht haben, "hängt natürlich von den tatsächlichen Daten ab, aber auch von der Ausrichtung der Finanzpolitik". Die EZB hat wiederholt gewarnt, dass sie die Leitzinsen stärker anheben müsse, wenn die Fiskalpolitik zu expansiv ausgerichtet sei.
Abgestimmte Haltung nötig
"Ich habe den Eindruck, dass wir die Generation der Finanzminister aus der Zeit der Sparmaßnahmen wirklich vermissen", sagte der slowakische Zentralbankchef Kazimir, der von 2012 bis 2019 für die Finanzen seines Landes zuständig war. Jetzt "haben wir nur noch Minister, die ausgabenfreudig sind, das kommt von der Covid-Krise, von dieser geopolitischen Krise, die jetzt da ist, mit der Aussetzung der Regeln". Die EU hatte wegen der Pandemie und des Ukraine-Kriegs zuletzt ihre Schuldenregeln ausgesetzt.
Eine abgestimmte Haltung der Finanzministerien und Zentralbanken sei in der derzeitigen Situation von entscheidender Bedeutung, sagte auch der estnische Zentralbankchef Madis Müller. "Es ist viel einfacher, die Inflation in den Griff zu bekommen, wenn die Finanz- und die Geldpolitik sich gegenseitig unterstützen und in die gleiche Richtung gehen, und das ist im Moment nicht der Fall", sagte er laut Bloomberg bei einer Podiumsdiskussion auf dem Tatra-Gipfel am Samstag.