EZB-Zinsdebatte

Euro-Notenbanker warnt vor Überforderung der Wirtschaft

Die Debatte über den weiteren Zinskurs der EZB gewinnt mit Wortmeldungen einflussreicher Notenbanker noch einmal erheblich an Schwung. Sie setzen durchaus unterschiedliche Schwerpunkte.

Euro-Notenbanker warnt vor Überforderung der Wirtschaft

Euro-Notenbanker warnt vor Überforderung der Wirtschaft

Villeroy de Galhau: "Testen, bis es bricht" ist kein vernünftiger Weg – Schnabel: Zu früh für Entwarnung bei der Inflation

ms/rec Frankfurt/Brüssel

Die Debatte über den weiteren Zinskurs der Europäischen Zentralbank (EZB) hat am Montag mit Wortmeldungen einflussreicher Notenbanker noch einmal erheblich an Schwung gewonnen. Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau warnte davor, die Wirtschaft im Euroraum zu überfordern, während EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel klarmachte, dass das Inflationsproblem aus ihrer Sicht noch nicht erledigt ist. EZB-Präsidentin Christine Lagarde untermauerte derweil die Aussicht auf anhaltend hohe Zinsen.

Der EZB-Rat hatte Mitte September seine Leitzinsen erneut und damit seit Juli 2022 zum zehnten Mal in Folge erhöht – was die gesamte Straffung auf beispiellose 450 Basispunkte bringt. Das Gremium deutete an, dass damit der Höchststand im aktuellen Zyklus erreicht sein könnte, legte sich darauf aber nicht fest. Im Nachgang hatten Euro-Notenbanker durchaus unterschiedliche Signale gesendet. Während die Hardliner ("Falken") weitere Zinserhöhungen nicht ausschließen wollen, mahnen die "Tauben" zur Vorsicht. Die EZB steckt in einem Dilemma aus hoher Inflation und Konjunkturängsten.

Villeroy de Galhau sagte nun am Montag, die EZB dürfe mit ihrer Straffung die Wirtschaft nicht überstrapazieren. "Testen, bis es bricht", das sei kein vernünftiger Weg, um die Geldpolitik zu kalibrieren, sagte Villeroy bei einer Rede in Paris. “Wir sollten uns jetzt auf die Beständigkeit der Geldpolitik konzentrieren und nicht auf das ständige Anheben der Zinsen – auf die Dauer und nicht das Niveau.” Nun gehe es darum, sich darauf zu konzentrieren, das angehobene Zinsniveau beizubehalten.

Ganz ähnlich, aber in der Wortwahl noch deutlicher hatte sich vergangene Woche bereits der griechische Zentralbankchef Yannis Stournaras im Interview der Börsen-Zeitung geäußert (vgl. BZ vom 22. September). "Wir müssen nicht so lange straffen, bis im Bankensystem oder in der Wirtschaft etwas komplett kaputtgegangen ist“, sagte er.

Villeroy sagte zudem, dass jetzt die Gefahr, nicht genug zu tun, gegen das Risiko abgewogen werden müsse, zu viel zu tun. Dabei nannte er die Nachteile unzureichender Maßnahmen “überschaubar”. Falls die Teuerung weiter oberhalb von 2% verharre, könne die EZB ohne Weiteres weitere Zinserhöhungen vornehmen. Eine scharfe Kehrtwende könnte jedoch erforderlich werden, wenn die Straffung zu weit geht. Stournaras hatte sogar gesagt, dass die Gefahr, zu viel zu tun, nun größer sei als die Gefahr, zu wenig zu tun. Vor allem Hardliner im EZB-Rat argumentieren genau anders herum.

EZB-Direktorin Schnabel sagte am Montag in einem Vortrag in Regensburg, dass die zuletzt sinkende Geldmenge aus ihrer Sicht noch kein Signal für Entspannung bei der Inflation ist. Die aktuell ungewöhnliche Entwicklung sei "wahrscheinlich kein Vorbote einer tiefen Rezession, sondern spiegelt vielmehr eine erhebliche Umschichtung der Portfolios nach einer langen Periode niedriger Zinsen wider". Daher gebe es "noch keine Entwarnung für das Inflationsproblem".

EZB-Chefin Lagarde bekräftigt, dass man die Zinsen über einen langen Zeitraum hoch halten werde, um die Inflation zu zügeln – auch wenn die Wirtschaft zu kämpfen hat. “Unsere künftigen Entscheidungen werden sicherstellen, dass die Leitzinsen der EZB so lange wie nötig auf einem ausreichend restriktiven Niveau bleiben”, sagte sie im EU-Parlament.

An den Märkten wird inzwischen verstärkt auf Zinssenkungen im nächsten Jahr gewettet. Der spanische Zentralbankchef Pablo Hernández de Cos hatte dazu vergangene Woche im Interview der Börsen-Zeitung gesagt, dass es für solche Diskussionen noch zu früh sei, dass Zinssenkungen aber auch nicht auszuschließen seien (vgl. BZ vom 23. September). Zudem nannte er es „realistisch“ zu erwarten, dass bei sinkender Inflation die restriktiven Leitzinsen gesenkt werden. Am Freitag veröffentlicht Eurostat eine erste Schätzung für die Euro-Inflation im September. Volkswirte erwarten einen deutlichen Rückgang von zuvor 5,2% auf 4,5% – vor allem dank starker Basiseffekte.

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