Euro-Rettungsschirm ESM braucht viel Geduld
Euro-Rettungsschirm braucht viel Geduld
ESM-Reform ist nach der Ablehnung im italienischen Parlament auf unbestimmte Zeit vertagt
Italiens Parlament hat Nein zu einer Reform des Euro-Rettungsschirms ESM gesagt. Damit wird sich die Rückendeckung des ESM für den europäischen Bankenabwicklungsfonds mindestens verzögern – wenn sie überhaupt je kommt. Das hängt davon ab, ob es einen zweiten Anlauf im Parlament in Rom geben wird.
fed Frankfurt
Pierre Gramegna, der Geschäftsführende Direktor des Euro-Rettungsschirms ESM (European Stability Mechanism), gibt sich keine Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen: „Der ESM bedauert die Entscheidung des italienischen Parlaments, gegen die Ratifizierung des überarbeiteten ESM-Vertrags zu stimmen“, erklärte er in Reaktion auf die Abstimmung in Rom. Ohne die Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten werde der EU-Notfonds nicht in der Lage sein, die gemeinsame Rückendeckung für den einheitlichen Abwicklungsfonds der Bankenunion bereitzustellen, „von der alle Länder des Euroraums profitieren würden“, unterstrich Gramegna – und hob mit dem Verweis auf „alle“ Länder des Euroraums hervor, dass er dabei Italien einbeziehe.
In der italienischen Abgeordnetenkammer hatte eine deutliche Mehrheit der Abgeordneten gegen die Reform gestimmt. 184 Deputierte votierten mit Nein, lediglich 72 mit Ja. Entscheidend war, dass sich zwei der drei Rechtsparteien, die gegenwärtig die Regierung bilden, gegen die ESM-Reform stellten, nämlich die Fratelli d`Italia von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und die Lega von deren Stellvertreter Matteo Salvini.
Die Abstimmung hat zur Folge, dass die Reform des Euro-Rettungsschirms nicht wie geplant zum 1. Januar 2024 in Kraft treten kann. Zwar haben alle anderen ESM-Mitgliedsländer die Reform abgesegnet. Aber bei grundlegenden Entscheidungen ist Einstimmigkeit zwingend. Das bedeutet, dass bis auf Weiteres der europäische Bankenabwicklungsfonds (Single Resolution Fund) keine finanzielle Notfallabsicherung (backstop) durch den ESM beanspruchen kann.
68 Mrd. Euro mehr Kapazität
Der Bankenabwicklungsfonds ist in Reaktion auf die Bankenpleiten nach dem Lehman-Zusammenbruch 2008 eingerichtet worden, damit künftig nicht mehr der Steuerzahler zur Kasse gebeten werden muss, wenn Banken ins Wanken geraten und schonend entsorgt werden müssen, was erfahrungsgemäß extrem teuer ist. Der Fonds wird durch Beiträge aller Banken im Euro-Währungsgebiet gespeist. Ende dieses Jahres wird er eine Ausstattung von 80 Mrd. Euro haben. Im Zuge der Reform des ESM sollte die Möglichkeit geschaffen werden, dass im Falle eines Falles, etwa bei der Schieflage eines großen Finanzkonzerns, der Abwicklungsfonds Kredite beim ESM ziehen kann, und zwar in Höhe von 68 Mrd. Euro. Auf diese Weise hätte der Rettungsschirm also seine Kapazität kurzfristig fast verdoppeln können.
Dass dieser Zugriff nun erst einmal nicht möglich sein wird, ist zugleich ein Rückschlag für die Bankenunion. Denn der „backstop“ für den Abwicklungsfonds gilt als zentrales Element eines europäischen Finanzbinnenmarkts, in dem große Risiken eben nicht national, sondern europäisch abgesichert werden. Was es wiederum für Investoren einfacher macht, sich in Instituten zu engagieren – unabhängig davon, wo sie beheimatet sind.
Ein anderes Element der nun zunächst einmal verhinderten Reform ist die Möglichkeit, Staaten finanziell in kleinem Rahmen zu unterstützen, die zwar volkswirtschaftlich gesund sind, aber kurzfristige Sonderbelastungen zu stemmen haben – wie etwa Irland nach dem Brexit.
Ob und wann in Italien die ESM-Reform erneut im Parlament zur Abstimmung gestellt wird, ist völlig ungewiss. Frühestens möglich wäre ein abermaliges Votum in sechs Monaten. Da das Nein bei der Abstimmung in dieser Woche vor allem mit einer generellen europakritischen Positionierung zu tun hat und weniger mit substanziellen Vorbehalten gegen die ESM-Reform, hofft man in Brüssel und Luxemburg auf einen zweiten Anlauf im Spätsommer nach den EU-Wahlen.