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Euro statt Lew: Bulgariens langer Weg in die Währungsunion

Von Andreas Heitker, Brüssel Börsen-Zeitung, 24.5.2018 Es waren keine besonders guten Nachrichten, die EZB-Direktor Benoît Coeuré und seine Brüsseler Begleiter aus der Euro Working Group und der EU-Kommission gestern nach Sofia brachten. Bulgarien,...

Euro statt Lew: Bulgariens langer Weg in die Währungsunion

Von Andreas Heitker, BrüsselEs waren keine besonders guten Nachrichten, die EZB-Direktor Benoît Coeuré und seine Brüsseler Begleiter aus der Euro Working Group und der EU-Kommission gestern nach Sofia brachten. Bulgarien, so musste sich Ministerpräsident Bojko Borissow anhören, sei noch längst nicht reif für den nächsten Schritt in die Eurozone. Zwar erfüllt das Land alle formalen Kriterien für eine Aufnahme in den sogenannten Wechselkursmechanismus (WKM) II, der Vorstufe vor einer Mitgliedschaft in der Währungsunion, die auch in den EU-Verträgen festgehalten sind. Erster NachkriseninteressentAber bei den weichen Faktoren gibt es noch einigen Nachholbedarf. Das gilt für die Unabhängigkeit der Zentralbank, die Bankenaufsicht, die Einhaltung von Fiskalregeln. Das gilt insgesamt für die Nachhaltigkeit der aktuell positiven wirtschaftlichen Entwicklung.Die Liste der noch fehlenden Anforderungen kann die bulgarische Regierung auch in den Konvergenzberichten noch einmal nachlesen, die sowohl die Europäische Zentralbank (EZB) als auch die EU-Kommission gestern veröffentlicht haben. Und die Zugangsvoraussetzungen für die Bankenunion, die ein neues Mitglied der Eurozone heute ja ebenfalls noch erfüllen muss, fehlen sogar noch auf dieser Liste. EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis hatte kürzlich davon gesprochen, dass es noch mindestens drei Jahre dauern werde, bis Bulgarien Teil der Eurozone werden kann. Die Betonung sollte hier auf dem Wort “mindestens” liegen.Für das südosteuropäische Land, das seit 2007 Mitglied der EU ist und schon vor Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise Ambitionen auf eine Mitgliedschaft im Euro-Club gezeigt hatte, dürfte dies eine nicht befriedigende Entwicklung sein. Die bulgarische Regierung hatte bereits zum Start ihrer aktuellen EU-Ratspräsidentschaft im Januar ganz klar gemacht, dass sie bis Jahresmitte einen Antrag auf Aufnahme in den WKM II stellen wird. Die endgültige Aufnahme in die Währungsunion setzt eine mindestens zweijährige Periode in diesem Mechanismus voraus. Der Wechselkurs des bulgarischen Lew zum Euro dürfte in dieser Zeit keinen starken Schwankungen ausgesetzt sein. Aktuell ist der Kurs der bulgarischen Währung bereits an den Euro gekoppelt. Eine WKM-II-Aufnahme wäre aber schon gleichbedeutend mit einer grundsätzlichen Aufnahme in die Währungsunion. Der Weg in die Eurozone wäre dann für Bulgarien unumkehrbar. Es ginge dann nur noch um die Frage des Wann und nicht mehr des Ob. Auch die EZB hätte dann kein Vetorecht mehr. Doch nicht nur deshalb wird der angekündigte Antrag auf Aufnahme in den WKM II in vielen der 19 aktuellen Euro-Länder sehr kritisch beäugt. Es würde damit ja auch erstmals seit Ausbruch der Euro-Krise und vor allem der griechischen Staatsschuldenkrise wieder ein Erweiterungsprozess gestartet. Die bislang letzten Neuzugänge im Euro-Club – Litauen 2015 und Lettland 2014 – hatten die Verfahren ja noch in den Vorkrisenzeiten in Gang gesetzt. Würde sich die Eurozone mit dem ärmsten Land der EU, in dem das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf gerade einmal die Hälfte des EU-Durchschnitts beträgt und in dem Korruption zu den drängenden Problemen gehört, nicht nur neue Risiken ins Haus holen? Neue Risiken, die den ohnehin brüchigen Zusammenhalt in der Gemeinschaft noch weiter aufweichen würden?Die EU-Kommission sieht dies anders. Ihr Präsident Jean-Claude Juncker setzt darauf, dass der Euro nach dem Brexit eine neue Sogwirkung entfaltet, weil die Bedeutung der Eurozone innerhalb der Europäischen Union steigt. Er hat deshalb Borissows Beitrittspläne stets unterstützt. Bulgarien soll auch nur der Anfang sein. Langfristig, so Junckers Vision, sollen möglichst alle EU-Länder auch den Euro als Währung eingeführt haben. Lediglich die “Opt-out-Klausel”, die die Dänen ausgehandelt haben, soll weiter akzeptiert werden. Auf jeden Fall sollen beitrittswillige Länder künftig weitere Konvergenzhilfen aus dem EU-Haushalt erhalten, die den Erweiterungsprozess beschleunigen. Bereits in der nächsten Woche will die Brüsseler Behörde ein entsprechendes neues Finanzinstrument vorstellen. Bevölkerung eher skeptischÜberzeugungsarbeit muss die bulgarische Regierung allerdings auch noch in der eigenen Bevölkerung leisten. Ein Abschied vom Lew würde nämlich längst keine Begeisterungsstürme entfachen. In einer Eurobarometer-Umfrage aus dem Herbst 2017 äußerten sich die Menschen nur in vier Staaten der künftigen EU-27 noch Euro-skeptischer als die Bulgaren. Die Zustimmung zur Währungsunion lag gerade einmal bei 39 %. Die Hälfte der Bevölkerung lehnt den Euro dagegen explizit ab.