Einkaufsmanagerindex

Euro-Wirtschaft auf Rezessionskurs

Der schwache Servicesektor zieht die Euro-Wirtschaft auf Rezessionskurs. Ökonomen erwarten inzwischen ein Wachstumsminus für das dritte Quartal. Einen nicht unerheblichen Beitrag zur mauen Aussicht liefert Deutschland.

Euro-Wirtschaft auf Rezessionskurs

Euro-Wirtschaft auf Rezessionskurs

Einkaufsmanagerindizes in Euroland und Deutschland niedriger als erwartet – Schwäche könnte EZB zu Zinspause zwingen

ast/ms Frankfurt

Deutschland zieht die Euro-Wirtschaft auf Rezessionskurs. Die Einkaufsmanagerindizes sacken für Industrie und Servicesektor ab. Die jüngsten Daten machen eine Rezession in der Eurozone im dritten Quartal wahrscheinlicher. Im EZB-Rat dürfte das den Tauben Auftrieb geben, die vor zu starken Zinserhöhungen warnen.

Die Wirtschaft in Deutschland und der Eurozone hat ihre Talfahrt im August beschleunigt. Das geht aus den Einkaufsmanagerindizes (PMI) hervor, die der Finanzdienstleister S&P am Mittwoch veröffentlicht hat. Demnach brach der PMI für die deutsche Privatwirtschaft, also Industrie und Dienstleister zusammen, auf 44,7 Zähler ein – nach 48,5 Punkten im Juli. Der vierte Rückgang in Folge führte zum niedrigsten Niveau seit Mai 2020. Die Wachstumsschwelle von 50 Punkten ist in noch weitere Ferne gerückt. Ökonomen hatten den Rückgang erwartet, jedoch nur auf 48,3 Zähler.

Auch in der Eurozone signalisieren die Daten einen beschleunigten Wachstumsrückgang. Der PMI Composite für Industrie und Servicesektor sank um 1,6 auf 47,0 Zähler, den niedrigsten Stand seit November 2020. Die Anzeichen mehren sich, dass die Wirtschaft der Eurozone im dritten Quartal schrumpfen wird.

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Der Abwärtsdruck gehe vor allem auf den deutschen Dienstleistungssektor zurück, „der in einem ungewöhnlich schnellen Tempo von Wachstum auf Schrumpfung drehte“, erklärte Cyrus de la Rubia, Chefökonom des S&P-Partners Hamburg Commercial Bank (HCOB). Der entsprechende Indikator sank im August um 5 Zähler auf 47,3 Punkte – und damit unter die Wachstumsschwelle. Für de la Rubia ist das ein Beleg dafür, dass der Servicesektor mit der schwachen Industrie gleichziehe.

Haupttreiber der seit drei Monaten schwachen Entwicklung der Eurozone ist S&P zufolge die stark rückläufige Industrieproduktion. Der aktuelle Rückgang war der zweitstärkste seit elf Jahren, die Monate der Corona-Lockdowns ausgenommen. Sowohl in der Industrie als auch bei den Dienstleistern verschlechtert sich die Nachfrage zusehends.

Aufgrund der mauen Nachfrage verlangsamt sich auch der Stellenaufbau deutlich und ist im August beinahe zum Stillstand gekommen. Auf der anderen Seite hat der Inflationsdruck spürbar nachgelassen. Analysten führen das vor allem auf die fallenden Preise in der Industrie zurück. Gleichzeitig legten die Einkaufs- und Verkaufspreise im August wieder etwas zu. S&P führt dies zumindest teilweise auf höhere Löhne zurück.

Klare Rezessionssignale

Dass nach dem Industriesektor auch der europäische Dienstleistungssektor zunehmend schwächelt, macht für Ökonomen eine Rezession im Euroraum wahrscheinlicher. „Nachdem der Einkaufsmanagerindex für die Industrie ein solches Rezessionssignal bereits im Frühjahr gegeben hatte, deutet nun alles auf ein Schrumpfen der Euro-Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte hin“, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. „Klarer könnten die Rezessionssignale kaum sein“, analysiert Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Der Ausblick für die Industriekonjunktur bleibe „beängstigend schwach“.

Dass sich die Stimmung in der deutschen Industrie etwas aufgehellt habe – hier registrierte S&P einen leichten Anstieg des Teilindikators auf 39,1 Punkte –, sei „allenfalls ein winziger Hoffnungsschimmer“, erklärte Elmar Völker von der Landesbank LBBW. „Auf dem zuletzt erreichten Niveau konnte sie wohl auch nicht mehr allzu viel düsterer werden.“ Die Daten unterstrichen „eindrucksvoll die Malaise der deutschen Wirtschaft“.

Im Vergleich mit anderen Ländern der Eurozone vermeldete Deutschland im August den stärksten Rückgang der Wirtschaftsleistung. In Frankreich sank die Wirtschaftskraft ebenfalls und zwar den dritten Monat in Folge. In den übrigen Ländern schrumpfte die Wirtschaft erstmals seit Dezember, jedoch nicht so deutlich wie in den beiden größten Volkswirtschaften. Die Industrieproduktion ging abermals zurück, während der Servicesektor stagnierte.

EZB-Tauben erhalten Futter

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) wird genau auf die Konjunkturdaten schauen, zumal sie dem relativen Konjunkturoptimismus der Notenbank widersprechen. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane hatte erst Ende vergangener Woche Rezessionssorgen zurückgewiesen. Ein tiefer und anhaltender Konjunkturabschwung sei nicht zu sehen, sagte er. Im Juni hatten die EZB-Volkswirte für dieses und nächstes Jahr sogar ein Wachstum von 0,9% und 1,5% vorausgesagt. Bei der nächsten Sitzung im September könnte sie dies nun spürbar senken müssen.

Das hätte womöglich Implikationen für die Geldpolitik. Im Juli hatte sich der EZB-Rat für September explizit alle Optionen offengehalten. Viele Experten gehen indes davon aus, dass die EZB-Leitzinsen noch weiter steigen. Jene im EZB-Rat, die vor zu starken Zinserhöhungen warnen, könnten durch die neuen Daten aber Oberwasser bekommen. Nicht zuletzt EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta lehnt eine weitere Straffung ab. Andererseits könnte es sein, dass die Hardliner nun erst recht auf eine Zinserhöhung im September dringen, bevor sich das Fenster für Zinsanhebungen endgültig schließt.

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