Konjunktur

Euro-Wirtschaft rutscht doch noch in die Rezession

Die Euro-Wirtschaft ist zu Jahresbeginn nun doch in die technische Rezession gerutscht. Das Statistikamt Eurostat revidierte das Bruttoinlandsprodukt um 0,2 Prozentpunkte auf –0,1% nach unten. Dafür waren einige Sonderfaktoren verantwortlich.

Euro-Wirtschaft rutscht doch noch in die Rezession

Euro-Wirtschaft rutscht doch in Rezession

Minus von 0,1 Prozent zu Jahresbeginn – Privater Konsum und Staatsverbrauch bremsen

ba Frankfurt

Deutschland hat die Euro-Wirtschaft zu Jahresbeginn mit in die technische Rezession gerissen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im gemeinsamen Währungsraum ist im ersten Quartal um 0,1% gesunken – in der Erstschätzung hatte das Statistikamt Eurostat noch ein Plus von 0,1% vermeldet. Nachdem das BIP Ende 2022 bereits um ebenfalls abwärtsrevidierte 0,1% im Quartalsvergleich geschrumpft war, ist die Definition einer technischen Rezession bei zwei aufeinanderfolgenden Minusquartalen erfüllt. Dies dürfte bei der Europäischen Zentralbank (EZB) mit Sorge gesehen werden und Anlass sein, die im März getroffene Wachstumsprognose von 1,0% für 2023 zu senken. Dass die EZB kommenden Donnerstag im Kampf gegen die nur langsam rückläufige Inflation erneut an der Zinsschraube drehen wird, steht für Experten dennoch weiter außer Frage. Heftig debattiert – auch innerhalb der EZB – werden aber Höhe und Anzahl der weiteren Zinserhöhungen.

In der jüngsten Reuters-Umfrage gehen alle 59 befragten Volkswirte davon aus, dass der Einlagensatz im Juni um einen Viertelprozentpunkt auf 3,50% erhöht wird. Rund drei Viertel der Experten prognostizieren eine weitere Anhebung um 25 Basispunkte im Juli. Eine Mehrheit erwartet, dass der Einlagensatz dann bis Ende des Jahres unverändert bei 3,75% bleiben wird.

Ökonomen hatten für den Euroraum zuletzt mit einer Stagnation im ersten Quartal gerechnet. Allerdings waren die deutschen, irischen und finnischen BIP-Zahlen nach unten revidiert worden, wie Jörg Angele vom Vermögensverwalter Bantleon kommentiert. Zudem hatten die Niederlande mit −0,7% ein unerwartet schwaches Ergebnis bekannt gegeben. Destatis vermeldete statt einer Stagnation ein Minus von 0,3% für Deutschland, während Frankreichs BIP von Insee mit +0,2% bestätigt wurde. Ein noch weiteres Abrutschen des Euro-BIP hatte unter anderem die Aufwärtsrevision des italienischen BIP um 0,1 Prozentpunkte auf 0,6% durch Istat verhindert.

Ohne eine irische Buchungsanomalie bei den Interaktionen im Bereich des geistigen Eigentums zwischen den irischen Außenstellen globaler Technologiekonzerne und ihren Muttergesellschaften in den USA und einen Einbruch der deutschen Staatsausgaben nach Covid-19 hätte die Wirtschaft der Eurozone im ersten Quartal ein Wachstum von fast 0,4% im Quartalsvergleich verzeichnet, betont Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding. Das irische BIP ist um 4,6% gefallen. In Deutschland war das Ende der weit verbreiteten kostenlosen Covid-19-Tests und -Impfungen für einen Großteil des Rückgangs des Staatsverbrauchs um 4,9% im Vorquartal verantwortlich. Dies erklärt für Schmieding fast den gesamten Rückgang des Staatsverbrauchs in der Eurozone insgesamt um 1,6% im ersten Quartal. Zum Jahresschluss hatte der Staatsverbrauch noch um 0,8% zugelegt. Die privaten Konsumausgaben, die durch die hohe Inflation gebremst werden, erholten sich leicht: Nach dem Rückgang um 1,0% zum Jahresende 2022 sanken sie um nur noch 0,3%. Die staatlichen und privaten Konsumausgaben bremsten das Euro-BIP um 0,3 bzw. 0,1 Prozentpunkte. Ebenfalls negativ wirkten sich die Vorratsveränderungen aus. Positive Impulse kamen von den Bruttoanlageinvestitionen, die um 0,6% zulegten. Im Vorquartal waren sie noch um 3,5% gesunken. Nachdem die Exporte mit 0,1% wesentlich weniger sanken als die Importe mit 1,3%, wirkte sich auch der Außenhandel positiv aus.

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Die Erwerbstätigkeit legte im Euroraum zu Jahresbeginn wieder etwas dynamischer zu: Die Zahl der Erwerbstätigen stieg im ersten Quartal um 0,6% zum Vorquartal, zum Jahresende 2022 waren es noch 0,3%. Im Vergleich zum Vorjahresquartal betrug der Zuwachs in den drei Monaten bis März 1,6% nach zuvor 1,5%. Die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden wiederum legte um 0,6% im Quartalsvergleich und um 2,0% zum Vorjahr zu. Die höchsten Wachstumsraten verzeichneten laut Eurostat dabei Estland (+4,4%), Malta (+2,9%) und Irland (+1,6%). Die höchsten Rückgänge der Erwerbstätigkeit wurden in Litauen (−1,5%) und Griechenland (−0,3%) beobachtet. Im ersten Vierteljahr waren 168,2 Millionen Personen erwerbstätig – das sind 5,0 Millionen mehr als im vierten Quartal 2019, also vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Die Arbeitsproduktivität wiederum, die von 2013 bis 2018 um etwa 1% schwankte, sank um 0,6% zum entsprechenden Vorjahresquartal. Basierend auf geleisteten Arbeitsstunden ging sie laut Eurostat um 0,9% zurück.

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