Euro-Wirtschaft stellt sich auf Rezession ein
Euro-Wirtschaft stellt sich
auf Rezession ein
Einkaufsmanagerindizes auf Talfahrt – Dienstleister nicht länger Zugpferd
ast/ms Frankfurt
Berichte Seite 6Die Zeichen für eine Rezession der Euro-Wirtschaft mehren sich. Die Einkaufsmanagerindizes des Finanzdienstleisters S&P gaben für die Eurozone und insbesondere für Deutschland spürbar nach. Die deutsche Wirtschaft schrumpft demnach so stark wie zuletzt im Mai 2020, dem Höhepunkt der Coronavirus-Pandemie mit weitreichenden Lockdowns. Die beispiellosen Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) hinterlassen damit früher als erwartet erste Bremsspuren in der Konjunktur. Den Vertretern einer eher lockeren Geldpolitik im EZB-Rat, den sogenannten Tauben, dürften die jüngsten Konjunkturdaten neue Argumente liefern.
Die S&P-Einkaufsmanagerindizes, die als Frühindikatoren für die weitere konjunkturelle Entwicklung gelten, zeigen für Deutschland eindeutig nach unten (siehe Grafik). Ausschlaggebend sind nach Ansicht der Analysten der beschleunigte Rückgang der Industrieproduktion und der schwächelnde Dienstleistungssektor. Der Ausblick bleibt zudem pessimistisch, da die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen aufgrund der zuletzt deutlich gestiegenen Zinsen im Euroraum, der Unsicherheit auf Seiten der Käufer und der nach wie vor hohen Inflation zurückgeht.
EZB im Zwiespalt
Deutschland trägt im EU-Vergleich zudem im August die rote Laterne: Erstmals seit acht Monaten meldeten auch die Dienstleister, die sich zuletzt aufgrund der Corona-Erholung als Zugpferd für die Wirtschaft erwiesen hatten, Geschäftseinbußen. Der Teilindikator sank um satte 5 Zähler auf 47,3 Punkte und liegt nun unter der Schwelle von 50 Punkten, die Wachstum anzeigt. Noch schlechter läuft es in der Industrie (39,1). "Klarer könnten die Rezessionssignale kaum sein", analysiert Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank. Von allen Ländern der Eurozone vermeldete Deutschland zudem den stärksten Rückgang der Wirtschaftsleistung.
In der EZB dürften die jüngsten Daten mit Interesse aufgenommen werden, zumal sie dem relativen Konjunkturoptimismus der Notenbank widersprechen. Chefvolkswirt Philip Lane hatte erst vor wenigen Tagen Rezessionssorgen zurückgewiesen. Im Juni hatten die EZB-Volkswirte für dieses und nächstes Jahr sogar ein Wachstum von 0,9% und 1,5% vorausgesagt. Bei der nächsten Sitzung im September könnte sie dies nun spürbar senken müssen. Das könnte sich auch auf die Geldpolitik auswirken. Bislang gehen viele Experten von einer weiteren Anhebung des Leitzinses um 25 Basispunkte aus. Da die Konjunktur nun deutlich abgebremst wird, ist auch eine Zinspause denkbar.