Europa setzt auf digitale Aufholjagd

EU-Kommission will Datennutzung und künstliche Intelligenz stärker fördern - Beifall aus der Wirtschaft

Europa setzt auf digitale Aufholjagd

Die EU-Kommission hat ihre neue Digitalstrategie sowie ein Weißbuch zur künstlichen Intelligenz vorgelegt. Ziel ist, die Datennutzung nicht allein den großen US-Technologiekonzernen zu überlassen, sondern eigene Kapazitäten zu fördern und im Rennen um Big Data doch noch eine Führungsrolle zu übernehmen.ahe Brüssel – Die EU-Kommission will einen neuen Gesetzesrahmen setzen, um die Digitalisierung in Europa stärker voranzubringen, insbesondere die Nutzung von Daten und die weitere Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI). “Wir wollen europäische Lösungen im digitalen Zeitalter finden”, betonte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel und kündigte noch für dieses Jahr konkrete Vorschläge an.Die Datenstrategie der EU-Kommission zielt darauf ab, das längst nicht gehobene Potenzial an Daten, die die Industrie und auch öffentliche Stellen erzeugen, effizienter zu nutzen – insbesondere auch von Seiten der europäischen Unternehmen. Derzeit befände sich zwar ein großer Teil der weltweit vorhandenen Daten in der Hand weniger großer Technologieunternehmen, erklärte die Brüsseler Behörde. “Doch in der nahen Zukunft werden sich in Europa viele Möglichkeiten auftun.”In den nächsten Jahren würden rasch anwachsende Datenmengen generiert, und die Speicherung entwickele sich weg von der Cloud und hin zum Rand des Netzes (“Edge”). Die EU könne dann mit einem soliden Rechtsrahmen und einer hohen Vernetzung der Behörden punkten. Das erste Rennen um persönliche Daten habe man bereits verpasst, räumte EU-Industriekommissar Thierry Breton in Brüssel ein. Aber der Kampf um industrielle Daten starte jetzt – und die Auseinandersetzung finde in Europa statt.Im Bereich der Datenwirtschaft will die Kommission unter anderem Anreize für die gemeinsame Datennutzung schaffen. US-Technologiekonzernen wie Facebook und Google könnten nach Angaben von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager dann empfindliche Auflagen drohen und zum Teilen ihrer Daten gezwungen werden. Für dominante Marktteilnehmer gebe es besondere Erwägungen, sagte Vestager. Zunächst solle jedoch sichergestellt werden, dass die Menschen, die ihre Daten zur Verfügung stellten, auch Zugang dazu bekämen.Die EU-Kommission will Investitionen unter anderem in High-Impact-Projekte für europäische Datenräume und energieeffiziente Cloud-Infrastrukturen fördern. Von der Leyen sagte, man wolle dazu beitragen, dass 4 bis 6 Mrd. Euro in EU-Datenräume und die Cloud-Infrastruktur investiert würden. Die Cybersicherheit soll zugleich durch den Aufbau einer eigenständigen gemeinsamen Cyberdienststelle gestärkt werden. Breton hob hervor, Europa verfüge über alles, was es brauche, um beim Rennen um Big Data die Nase vorn zu haben und seine technologische Unabhängigkeit zu erhalten.Im Bereich von KI sollen insbesondere auch kleine und mittlere Unternehmen künftig von einem besseren Datenzugang profitieren. In einem KI-Weißbuch regte die EU-Kommission unter anderem auch eine breit angelegte Debatte über die künftige Verwendung der Gesichtserkennung für die biometrische Fernidentifizierung an, die heute in der EU generell verboten ist. Die Mittel für die stärkere Förderung von Digitalisierung sollen vor allem aus dem EU-Haushalt kommen. Allein im Forschungsprogramm “Horizont” sollen nach dem Willen der Kommission 15 Mrd. Euro für Investitionen bereitstehen. Daneben soll es fast 2,5 Mrd. Euro für den Aufbau von Datenplattformen und KI-Anwendungen geben.Aus der Wirtschaft kam viel Beifall für die neue Digitalisierungsstrategie. Der europäische Industrie-Dachverband Business Europe verwies darauf, dass der Investitionsrückstand im Vergleich zu den USA und China derzeit auf 190 Mrd. Euro pro Jahr geschätzt werde. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) befürwortete den Vorschlag, Unternehmen zum freiwilligen Teilen von Daten zu ermuntern. Damit die Innovationsfähigkeit erhalten bleibe, dürfe es aber keine allgemeine gesetzliche Pflicht zur Datenteilung geben, hieß es. Und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) erklärte, die Kommission habe die Probleme von kleinen und mittleren Unternehmen beim Datenzugang erkannt. Allerdings gehe sie mit ihren Plänen noch nicht weit genug. “KMU brauchen einen rechtlich gesicherten Zugang zu allen wettbewerbsrelevanten Daten.”