TAUZIEHEN UM ZYPERN-RETTUNG

Europa wartet auf Vorschläge aus Zypern

Hilfeersuchen in Moskau zunächst erfolglos - Schuldentragfähigkeit bleibt Bedingung der Eurogruppe

Europa wartet auf Vorschläge aus Zypern

Die zyprische Regierung hat am Tag nach der Ablehnung des mit der Eurogruppe vereinbarten Hilfsprogramms hektisch nach Auswegen gesucht. Finanzminister Michalis Sarris bemühte sich in Moskau um Finanzhilfe – zunächst ohne Erfolg. Am Nachmittag wurde das Kabinett zusammengerufen, um darüber zu beraten, wann die Banken des Landes wieder ihre Türen öffnen.wf/fed/ms Berlin/Brüssel/Frankfurt – Die Bundesregierung und die EU-Kommission haben die Regierung in Nikosia aufgefordert, Lösungsvorschläge zu präsentieren. “Es ist nun an den zyprischen Behörden, ein alternatives Szenario aufzuzeigen, das die Bedingung der Schuldentragfähigkeit und die damit verbundenen finanziellen Parameter berücksichtigt”, hieß es in einer Stellungnahme der EU-Kommission. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sieht den Ball im Feld der Zyprer.Gleichzeitig waren gestern einige europäische Spitzenpolitiker ebenso wie die EU-Kommission bemüht, die nach der Abstimmung erhitzten Gemüter auf beiden Seiten zu beruhigen und das Augenmerk wieder auf die nüchterne Suche nach einer Lösung zu lenken. Am Abend war in Brüssel eine Zusammenkunft der Euro-Arbeitsgruppe anberaumt, also der Staatssekretäre und hohen Fachbeamten, die traditionell die Entscheidungen der Finanzminister vorbereiten. Rätselraten über RusslandZypern bemühte sich gestern – zunächst ohne erkennbaren Erfolg – um finanzielle Rückendeckung aus Russland. Am Vormittag machten Spekulationen die Runde, dass russische Investoren die Cyprus Popular Bank für eine Milliardensumme kaufen wollen. Allerdings wurde diese Meldung am Nachmittag von einem Sprecher der Regierung dementiert.Finanzminister Sarris brachte in Moskau die Bitte vor, einen bestehenden 2,5-Mrd.-Euro-Kredit bis 2021 zu verlängern. Allerdings blieb zunächst eine Bestätigung aus, ob ihm das tatsächlich gelungen sei. In dem drittkleinsten Euro-Staat liefen zudem Spekulationen um, die Regierung wolle sich weitere Milliarden von Russland pumpen. Selbst wenn dies der Fall wäre, würde sie damit allerdings ihr zentrales Problem nicht lösen können. Denn die Euro-Partner machen die Freigabe ihrer Hilfskredite an Zypern im Volumen von maximal 10 Mrd. Euro davon abhängig, dass das Land einen Eigenbeitrag von 5,8 Mrd. Euro liefert – und zwar erstens jenseits der ohnehin vereinbarten Hinzuziehung von nachrangigen Anleihegläubigern und zweitens ohne Gefährdung der Schuldentragfähigkeit. In anderen Worten: Zypern muss ausreichend Geld besorgen, ohne es sich zu leihen, weil damit sonst die Schuldenquote in die Höhe getrieben würde.Was passiert, wenn es dem Land nicht gelingen sollte, die Lücke zwischen den 10 Mrd. Euro Hilfen und dem Bedarf von 17 Mrd. Euro zu schließen, ist unklar. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat zwar ihr Versprechen bekräftigt, alle solventen Institute mit Liquidität zu versorgen. Ob und wie lange noch die zyprischen Banken als solvent eingestuft werden können, ist ungewiss. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat die Solvenz der zyprischen Institute bereits öffentlich angezweifelt.EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen machte in einem Interview der “Zeit” deutlich, für die Notenbank sei nun entscheidend, dass die Banken des Landes rekapitalisiert und so gestärkt werden. Dazu ist der zyprische Staat derzeit alleine aber nicht in der Lage. Bei einer Konferenz in Frankfurt betonte er zudem, dass es für ihn keine wirkliche Alternative zum eingeschlagenen Spar- und Reformkurs in Europa gebe. Er mahnte zu mehr Besonnenheit – ohne explizit Zypern zu nennen. “Wut alleine löst unsere Probleme nicht”, sagte der Notenbanker. Berlin bereitet sich vorIn Berlin hielt die Bundesregierung die Abgeordneten des Bundestags auf dem Laufenden. Kanzlerin Merkel informierte den Europa-Ausschuss über die Lage der Dinge, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) den in Euro-Rettungsfragen federführenden Haushaltsausschuss. “Zypern ist unser Partner im Euro-Bereich. Deshalb sind wir verpflichtet, gemeinsam eine Lösung zu finden”, sagte Merkel. Faktisch wird trotz der verfahrenen Lage in Berlin mit einer zügigen Entscheidung gerechnet. Schäubles Sprecher sagte vor der Presse zwar, es gebe keine Fristen, wies aber zugleich darauf hin, dass Zyperns Banken derzeit geschlossen sind. Für die Koalitionsfraktionen von Union und FDP im Bundestag ist für Freitag früh um 8 Uhr eine Sondersitzung anberaumt, um über die Folgen der Ablehnung des Rettungspakets durch das zyprische Parlament zu beraten.Die Bundesregierung unterstrich erneut, dass in der Eurogruppe Einigkeit darüber herrsche, dass der überdimensionierte Bankensektor Zyperns auf ein europäisches Durchschnittsniveau zurückgefahren werden müsse. Dies sei für die EU-Partner unabdingbarer Teil des Restrukturierungspakets.——Szenarien für Zypern- New Deal: Die Eurogruppe und die zyprische Regierung verständigen sich auf ein leicht abgewandeltes Hilfsprogramm, das aber beiden Seiten die Chance zur Gesichtswahrung gibt. Beispielsweise darf Zypern die Sparer umfänglicher schonen als bisher vereinbart. Und doch kann die Eurogruppe feststellen, dass Zypern seinen Eigenbeitrag auf Heller und Pfennig leistet. Etwa, indem zusätzliche Steuererhöhungen angekündigt werden, deren geschätzte Erträge die Lücke schließen.- Hilfe aus Moskau: Russland gibt Zypern – womöglich auch aus nicht ökonomischen, strategischen Interessen – finanzielle Hilfe. Dabei hilft ein Kredit nicht viel weiter, weil er die Schulden erhöht und deren Tragfähigkeit beeinträchtigt. Vielmehr müsste Moskau etwas kaufen – eine Bank oder die Rechte zur späteren Ausbeutung von Gasvorkommen.- Eskalation: Zypern einigt sich nicht mit der Eurogruppe. Das Land beschließt die Öffnung der Banken, die besteuerbaren Einlagen werden abgezogen. Dann dürfte rasch der Punkt erreicht werden, an dem Banken insolvent werden und die Europäische Zentralbank ihre Liquiditätshilfe einstellt. Zypern würde die Pleite drohen.——