"Europa wichtigstes Anliegen"
In einer Rede zur Europäischen Union hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) auf Festigung der Europäischen Union gedrungen. Dies will er durch eine gestärkte Wirtschafts- und Währungsunion, Steuer- und Sozialpolitik, aber auch gemeinsame Handels-, Außen-, Verteidigungs- und Migrationspolitik bewirken. wf Berlin – “Europa ist für uns, für Deutschland, das wichtigste nationale Anliegen”, sagt Bundesfinanzminister Olaf Scholz in der sogenannten Europa-Rede vor Studenten der Humboldt-Universität in Berlin. “Diesen Satz kann man gar nicht oft genug wiederholen.” Scholz zeigte sich überzeugt, “dass die Zukunft Europas über die Zukunft Deutschlands entscheidet”. Die Europa-Rede der Berliner Humboldt-Universität hat sich als Format für Grundsatzüberlegungen zu Europa etabliert.Die EU ist für den SPD-Politiker Scholz mehr als ein gemeinsamer Binnenmarkt mit ähnlichen Wirtschafts- und Sozialstaatsmodellen. Verbindend zwischen den Mitgliedstaaten der EU wirkten die gemeinsamen Werte: die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Die wesentlichen Herausforderungen für die EU und die Mitgliedstaaten setzten politische Entscheidungen voraus, nicht nur ökonomische Anpassungsprozesse. Scholz machte nach eigenen Worten konkrete Vorschläge, wie er die europäische Einigung vertiefen will. Neue Punkte waren nicht dabei, wohl aber unerledigte Aufgaben auf der To-do-Liste des Ministers. Darunter ist eine Reihe von ökonomischen Themen. “Bedeutung des Euros steigt” Die Leistungsfähigkeit- und Widerstandsfähigkeit der gemeinsamen europäischen Währung müsse gestärkt werden, unterstrich Scholz. “Es ist absehbar, dass sich die Attraktivität der gemeinsamen Währung für die verbleibenden Nicht-Euro-Länder in der EU noch einmal erhöhen wird”, stellt er fest. “Und auch weltweit wird die Bedeutung des Euro weiter zunehmen.” Davon sei er fest überzeugt. Die Europäische Zentralbank (EZB) nahm Scholz gegenüber Kritikern an deren Krisenpolitik in Schutz. Wer dies nicht wolle, müsse eine demokratisch legitimierte, parlamentarisch kontrollierte europäische Institution akzeptieren, die in Krisensituationen einsatzfähig sei. Er warb für mehr Kompetenzen für den europäischen Stabilitätsmechanismus ESM. Dieser müsse Ländern helfen könne, die trotz guter Politik in Schwierigkeiten geraten seien. Der ESM solle auch die Letztabsicherung für den Bankenabwicklungsfonds übernehmen. Bei klaren Zielvorgaben könne dieser Backstop schon früher als 2024 bereitstehen. Die Vollendung der Bankenunion will Scholz weiter vorantreiben. “Ganz am Ende des Weges” hin zu einer Wirtschafts- und Währungsunion stehe auch eine gemeinsame Einlagensicherung, “auch wenn der Weg dahin noch lang und voraussetzungsreich ist”.Ein Eurozonen-Budget soll mehr Investitionen zur wirtschaftlichen Annäherung erlauben. Diese Mittel müssten den Mitgliedstaaten auch gerade in Schwächephasen zur Verfügung stehen, verlangte Scholz. Die Staaten der Eurozone müssten zudem antizyklisch reagieren können, um gegen eine Krise vorzugehen. Scholz erneuerte seinen Vorschlag einer Arbeitslosen-Rückversicherung auf Kreditbasis, wie sie in den USA schon lang erprobt sei. Es gehe nicht um Transfers. Auch europäischen Infrastrukturinvestitionen, die in manchen Ländern bis zu 80 % aus Gemeinschaftsmitteln stammten, dürften in einer Krise nicht zurückgefahren werden.In der Steuerpolitik hält Scholz an seinen Plänen fest, international bis 2020 eine Mindestbesteuerung für Großkonzerne zu schaffen und mit Frankreich zu einer gemein gemeinsamen körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage zu kommen. Die europäische Finanztransaktionssteuer soll weitgehend nach dem Vorbild der britischen “Stamp Duty” kommen. Damit werde es nicht zur Verlagerung von Börsentätigkeit kommen. In der Sozialpolitik hält Scholz einen europäischen Rechtsrahmen für Mindestlöhne und Grundsicherung für nötig. In der europäischen Handelspolitik will er Kriterien wie die Achtung der Kernarbeitsnormen in den Freihandelsabkommen stärken. In der europäischen Außenpolitik soll das Einstimmigkeitsprinzip fallen.