Europapolitik als Stolperstein für "Jamaika"

Parteien uneins über Reformvorschläge

Europapolitik als Stolperstein für "Jamaika"

Von Julia Wacket, FrankfurtVor der Wahl war die Euphorie für eine deutsch-französische Initiative zur Umgestaltung der Eurozone groß – eine starke CDU oder SPD sollte es richten. Dann kam die Wahl und die europäischen Idealisten wurden von den Realisten auf den Boden der Tatsachen zurückgebracht. Eine FDP, die gegen mehr Vergemeinschaftung ist, könnte in einer Jamaika-Koalition auch die konservativeren CDU-Abgeordneten und vor allem die CSU von ihrem harten Europa-Kurs überzeugen. Die Schnittmengen der Parteien bei dem Thema sind gering.Die FDP zeigt sich zwar generell “europafreundlich”, ist aber gegen eine zu starke Vertiefung der Währungsunion und gegen eine Transferunion. Ein gemeinsames Euro-Budget sei eine “rote Linie”. Die FDP will stattdessen ein Insolvenzrecht für Euro-Staaten, mehr private Schuldverschreibungen und dass schwache Länder leichter aus dem Euro austreten können. Ein Euro-Finanzminister müsse mehr für die Regelbeachtung in der Eurozone eintreten und für mehr Wettbewerb sorgen, statt nur Geld auszugeben.Die CDU unter Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich in letzter Zeit kompromissbereit bei Macrons Reformplänen gezeigt. Sowohl ein Euro-Finanzminister als auch ein gemeinsamer Haushalt sind für Merkel Optionen, allerdings will sie kein Milliardenbudget von mehreren BIP-Punkten, wie Macron es will. Dieses soll zur Reduzierung der Arbeitslosenquote führen und in Investitionen, etwa in digitale Infrastruktur gesteckt werden. Die CSU wird Merkel europapolitisch nicht entgegenkommen, im Herbst 2018 stehen Landtagswahlen an und CSU-Chef Horst Seehofer muss nach der Wahlenttäuschung die Konservativen Stammwähler zurückgewinnen. Europa sei eines von drei Themen, bei denen die CSU “sehr deutlich werden wolle”, sagte Seehofer gestern in Berlin. Beim Euro gelte der Grundsatz “strikte Stabilität”, also auch die Stabilitätskriterien. Die EU solle sich auf große Themen wie die Terrorbekämpfung, Klimaschutzziele, Zuwanderung und Freihandel beschränken. “Alles andere sollte man in der Zuständigkeit der Mitgliedsländer belassen”, so Seehofer.Die Grünen sind der Koalitionspartner, der Macrons Reformvorschläge am meisten unterstützt. Man müsse “Frankreichs ausgestreckte Hand ergreifen”, sagte Grünen-Vorsitzender Cem Özdemir. Die Grünen fordern mehr “europäische Solidarität” von Deutschland, das heißt mehr Investitionen, weniger Sparpolitik und eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung und Finanzpolitik für den Euroraum.Generell wollen also alle möglichen Jamaika-Koalitionsmitglieder ein starkes Europa, doch wie tief und weitgehend es reformiert werden soll, daran scheiden sich die Geister. Eine Einigung bei den “einfachen” Punkten, wie der Vollendung der Bankenunion und der Kapitalmarktunion, könnte der erste Schritt zu einer Reform sein, welche die Eurozone so bitter nötig hat. Auch sollten CDU und Grüne stärker zeigen, wie Deutschland von Europa profitiert, um die Euro-Skeptiker in Schach zu halten. Ohne den Euro, freien Waren-, Kapital- und Personenverkehr würde auch das deutsche Wirtschaftsmodell nicht so gut funktionieren. Europa ist eine Gemeinschaft, in der gemeinsam eine Lösung gefunden werden muss. Und zwar bevor die nächste Krise die Koalitionspartner dazu zwingt.