Baugewerbe

Europas Wohnungsbau schwächelt

In Europa werden bis 2025 wegen der Zinserhöhungen und der Kostensprünge weniger Wohnungen fertiggestellt. Die besten Entwicklungschancen räumt die Forschergruppe Euroconstruct dem Tiefbau ein.

Europas Wohnungsbau schwächelt

Europas Wohnungsbau schwächelt

Euroconstruct-Studie: Bis 2025 werden 260.000 Einheiten fehlen – Zinswende und Kostensprung belasten

ba Frankfurt

Die eingetrübten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die Zins- und Kostensprünge bremsen die Bauwirtschaft nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa. Die Bremsspuren werden sich nach Berechnungen von Euroconstruct vor allem im Wohnungsbau zeigen, wie das der Forschergruppe angehörende Ifo-Institut mitteilte. In den Jahren bis 2025 dürfte der Tiefbau hingegen am besten abschneiden.

Das Netzwerk erwartet, dass in diesem Jahr der Wohnungsneubau um rund 6% sinkt – im November war noch ein Rückgang von 2% prognostiziert worden. Statt leicht zu wachsen, dürfte sich auch im kommenden Jahr ein Minus ergeben, und zwar von 2,7%. 2025 dürfte der Markt Euroconstruct zufolge dann „vermutlich nur minimal expandieren“.

Der Neubau von Nichtwohngebäuden komme aktuell nur schleppend voran. So dürfte laut Prognose von Euroconstruct erst 2025 die jährliche Wachstumsrate wieder jenseits der 1-%-Marke liegen, nämlich bei 2,1%. Hier würden auch bestimmte länder- und branchenspezifische Einflüsse eine Rolle spielen. Beim Bau von Lagergebäuden seien dies etwa die veränderten Anforderungen durch den gewachsenen Onlinehandel oder die Lieferkettenprobleme. Die Probleme im stationären Handel oder dem Gastgewerbe zeigen sich bei den Geschäftsgebäuden, die stark von Handelsimmobilien beeinflusst sind. Der Bürosektor befindet sich laut Euroconstruct noch in der Defensive – 2025 dürfte hier das Neubauvolumen noch fast 8% unter dem Vor-Corona-Niveau von 2019 liegen. In mehr als der Hälfte der 19 betrachteten Länder sei mittelfristig allerdings mit einer leichten oder sogar kräftigen Belebung zu rechnen.

Hoher Takt im Tiefbau

Im Tiefbau wiederum führe der große Handlungsbedarf im Bereich Energie und Umwelt zusammen mit der notwendigen Modernisierung der Verkehrsinfrastrukturnetze und den hierfür bereitgestellten nationalen und europäischen Finanzmitteln dazu, dass die Schlagzahl weiter hochgehalten wird. Daher dürfte das Tiefbauvolumen 2025 um 7% über dem Niveau des Jahres 2022 bzw. um 14% über dem des Jahres 2019 liegen.

„Neben der abrupten Zinswende und dem Kostensprung für Bauleistungen führt die allgemeine Verunsicherung über die mittelfristige Entwicklung der Immobilienpreise bei Bauherren und Interessenten zu ausgeprägter Zurückhaltung“, erklärte Ifo-Bauexperte Ludwig Dorffmeister, warum in Europa bis 2025 weniger Wohnungen fertiggestellt werden. Einen besonders kräftigen Rückgang fertiggestellter Wohnungen hätten in den Jahren 2023 bis 2025 Schweden (–39%), Dänemark (–33%), Deutschland (–32%) und Ungarn (–29%) zu erwarten.

Eigentlich spreche die Zuwanderung und das kontinuierliche Wachstum der Haushaltszahlen für anhaltend hohe Neubauaktivitäten in Europa, doch erweise sich das Finanzierungsproblem gegenwärtig als wichtigster Hemmschuh, hieß es bei Euroconstruct. „Über eine attraktive Neubauförderung berichtet derzeit nur rund ein Drittel der Länderexperten“, sagt Dorffmeister. Positive Impulse kommen aus Irland (17%), Portugal (15%), Spanien (12%) und der Slowakei (11%).

Von den 260.000 Einheiten, die – verglichen mit 2022 – am Ende des Prognosezeitraums fehlen werden, gehen 209.000 auf das Konto von Deutschland, Frankreich, Polen und Schweden. Hierzulande dürften 2025 nur mehr rund 200.000 Wohnungen fertiggestellt werden – das ist gerade mal halb so viel wie der Zielwert der Bundesregierung von 400.000. Zuletzt hat sich der Auftragsmangel im deutschen Wohnungsbau weiter verschärft. 34,5% der im Juni vom Ifo-Institut befragten Firmen berichten, sie hätten zu wenig Aufträge. Im Mai waren es 33,9%. Das ist der höchste Wert seit April 2010. Mit 19,2% wurde bei den Stornierungen bestehender Aufträge ein neuer Rekordwert erreicht, nach 17,8% im Mai.

Leichter Anstieg im Mai

Am Mittwoch veröffentlichten Eurostat-Daten zufolge hat die Bautätigkeit im Mai im Euroraum leicht angezogen, und zwar um 0,2% im Monatsvergleich. Im April hatte sich noch ein Rückgang der Bauproduktion von revidiert 0,6 (zuvor 0,4)% ergeben. Gegenüber dem Vorjahr weist Eurostat ein Plus von 0,1% aus. Im Monatsvergleich legte die Bautätigkeit im Mai dabei im Hochbau um 0,4% und im Tiefbau um 0,1% zu.

Die höchsten monatlichen Anstiege verzeichnete Eurostat in der Slowakei (5,5%), Slowenien (3,7%) sowie in den Niederlanden (3,6%). Die stärksten Rückgänge wurden in Belgien (–2,8%) und Österreich (–2,5%) beobachtet.

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