Europaweite Jagd auf Steuersünder
Die Affäre um das Steuergeständnis von Uli Hoeneß ist natürlich auch in Spanien niemandem entgangen, zumal im Vorfeld der deutsch-spanischen Halbfinale in der Champions League diese Woche. Manch einer erinnert sich an die Kritik des Fußballpräsidenten im Vorjahr, als er beklagte, dass viele Vereine der Primera División dem spanischen Finanzamt Millionen an nicht gezahlten Steuern schuldeten. Dies sei eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der Gegner, wetterte Hoeneß damals.Doch bei aller Schadenfreude über die hierzulande oft oberlehrerhaft geltenden Deutschen, die Spanier haben genug mit ihren eigenen Steuersündern zu tun. Im Mittelpunkt der Bemühungen steht Hervé Falciani, ein 40-jähriger Informatiker mit französischem und italienischem Pass, der zurzeit unter Personenschutz in Spanien die Entscheidung über einen Auslieferungsantrag der Schweiz abwartet. Falciani hatte bei seinem ehemaligen Arbeitgeber, der Genfer Filiale von HSBC, Daten von 130000 Konten aus dem System kopiert, darunter auch 3000 Depots von Spaniern. Nach seiner Flucht aus der Alpenrepublik wurden die Datensätze zunächst in Frankreich konfisziert, wo Falciani untergetaucht war. Im Juli 2012 wurde er dann bei seiner Ankunft im Hafen von Barcelona umgehend von der spanischen Polizei festgenommen und saß ein halbes Jahr lang in Haft.Linke Parteien und Protestbewegungen witterten einen Skandal und hatten einen neuen Helden: der Mann, der die Hinterziehung aufgedeckt hat, muss sitzen, während die Steuersünder auf freiem Fuß sind. Doch nun stellt sich heraus, dass alles ganz anders war, wie Falciani in einem Interview mit “El Paû¡s” schilderte. Die Verhaftung war eine abgemachte Sache, da er im Gefängnis wohl am sichersten sei. Die US-Behörden hätten ihm zu diesem Schritt geraten und offenbar alles so weit organisiert. “Die wussten sogar, welcher der zuständigen Richter in Spanien am Tag meiner Ankunft Dienst hatte”, so der Francoitaliener.Seit seiner Flucht 2008 arbeitet Falciani mit den US-Ermittlern zusammen. Seine Daten waren eine der Grundlagen für den Bericht des US-Senats im letzten Jahr, der auf schärfste Weise die Geldwäsche bei HSBC anprangerte, die auch Drogenhändlern und Terroristen diente. Keine Frage, dass Falciani nicht nur Freunde auf der Welt hat.Letzte Woche erschien Falciani, getarnt mit Perücke und breitrandiger Brille, vor dem Richter, der über seine Auslieferung an die Schweiz entscheiden muss. Es ist unwahrscheinlich, dass die Spanier ihn ziehen lassen werden. Denn Falciani ist den Behörden bei der Aufarbeitung des unüberschaubaren Datenwustes auf der Suche nach Steuerhinterziehern behilflich. Die spanischen Ermittler haben bislang 659 Fälle von Betrug dank der mittlerweile berüchtigten “Lista Falciani” aufgedeckt. Bislang prominentester Fall ist die Familie von Emilio Botin, dem Vorsitzenden von Spaniens größter Bank Santander. Botins Vater hatte bei Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs 1936 einen Teil seines Vermögens in die Schweiz gebracht. Seine Erben hatten die Millionen nie dem Finanzamt angegeben, bis den Behörden die “Lista Falciani” in die Hände fiel. Die mächtige Banker-Dynastie zahlte 200 Mill. Euro nach und kam um eine Anzeige herum.*