Eurozone im Verteidigungsmodus

"Corona-Bonds" und ESM-Kredite in der Diskussion - Italien fordert "gesamte europäische Feuerkraft"

Eurozone im Verteidigungsmodus

Im Kampf gegen die Coronakrise hat sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aufgeschlossen für die Ausgabe von Euro-Bonds gezeigt. Sie unterstützte damit immer lauter werdende Forderungen aus Italien nach einem Einsatz dieser Bonds und nach Kreditlinien des Euro-Rettungsfonds.ahe/bl/sp Brüssel/Mailand/Berlin – Die Vergemeinschaftung von Staatsschulden in der Eurozone kehrt gut zehn Jahre nach Beginn der Euro-Krise in Form von “Corona-Bonds” in die politische Diskussion zurück. Angesichts der dramatischen Zuspitzung der Coronavirus-Pandemie fordert Italiens Premierminister Giuseppe Conte, alle Schleusen zu öffnen und europäische Anleihen (Corona-Bonds) auszugeben sowie die Kreditlinien des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zu nutzen. In einem Interview mit der “Financial Times” sagte Conte, man müsse nun die “gesamte europäische Feuerkraft” in Anspruch nehmen. Conte griff damit alte italienische Forderungen auf. Er will die europäischen Schulden vergemeinschaften und sein Land damit von der hohen eigenen Schuldenlast befreien.EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni – einer von Contes Vorgängern als Regierungschef – sekundierte am Freitag in einem Interview mit dem italienischen Sender RAI Radio 1. Nach seiner Einschätzung wäre der ESM die beste Möglichkeit für europäische Bonds im Kampf gegen die Coronavirus-Krise. Solche Corona-Bonds seien ein Marktvorgang und müssten über Finanzstrukturen begeben werden, sagt Gentiloni. “Die am besten geeignete ist der ESM.”Auch Italiens Wirtschaftsminister Roberto Gualtieri pochte am Freitag darauf, Euro-Bonds aufzulegen. Diese Anleihen sollten speziell an die Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie und ihre wirtschaftlichen Konsequenzen geknüpft sein, sagt er der Zeitung “Il Corriere della Sera”. “Wir haben es mit einem symmetrischen Schock zu tun, der alle betrifft, und darum müssen wir die Werkzeuge, die wir haben, auf innovative Weise nutzen.” EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Viruskrise ebenfalls aufgeschlossen für die gemeinsame Ausgabe von Anleihen im Euroraum. “Wir gucken alle Instrumente an”, sagte sie im “Deutschlandfunk”. “Und das, was hilft, wird eingesetzt.” Das gelte auch für Corona-Bonds. “Wenn sie helfen, wenn sie richtig strukturiert sind, werden sie eingesetzt.” Die EU-Staaten müssten jetzt Geld in ihre Wirtschaft pumpen, so von der Leyen. Ziel müsse sein, eigentlich gesunden Unternehmen eine Brücke zu bauen, über die sie in diesen schwierigen Zeiten gehen könnten.Die EU-Kommission aktivierte am Freitag die “allgemeine Fluchtklausel” im Stabilitäts- und Wachstumspaket, die im Falle eines schweren Wirtschaftsabschwungs in der EU gezogen werden kann. Stimmen nun auch die Mitgliedstaaten zu, könnten dann auch EU-weite fiskalische Ausnahmen von den Verschuldungsregeln möglich werden. Auch das Beihilferecht hatte die Kommission schon aufgeweicht (siehe unten).Auch in Deutschland, wo sich während der Euro-Krise besonders großer Widerstand gegen Euro-Bonds formierte, hält man Gemeinschaftsanleihen angesichts der Coronakrise mittlerweile für diskussionswürdig. Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, hat sich am Freitag sogar explizit dafür ausgesprochen. “Die Lösung liegt in Krisen-Gemeinschaftsanleihen, die nur in dieser Situation legitimiert sind”, sagte Hüther der Deutschen Presseagentur. “Hier sollte man sich in Berlin nicht sperren, wenn man die Eurozone nicht durch diese Krise in eine existenzielle Gefährdung bringen will.”Parallel zu nationalen Maßnahmen müsse der Blick auf die Eurozone gerichtet werden. Die Europäische Zentralbank habe ihren Teil geleistet, sagte Hüther mit Blick auf ein neues zusätzliches milliardenschweres Ankaufprogramm für Staats- und Unternehmenspapiere. “Die Finanzpolitik sollte aber in dieser Krise auch mutig ihrer Verantwortung nachkommen.”Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), der sich in der Vergangenheit wiederholt gegen Euro-Bonds ausgesprochen hat, hält das Instrument als “Last Resort” zur Stützung der Eurozone mittlerweile ebenfalls für diskussionswürdig. Es sei auch im deutschen Interesse , dass Italien und andere Euro-Länder im Zuge der Coronakrise nicht in Schieflage gerieten, erklärte Fratzscher bereits am Donnerstag im Rahmen der Konjunkturprognose des DIW.