Ex-Ampel-Führung gibt nach Wählerklatschen auf
Ex-Ampel-Führung gibt nach Wählerklatschen auf
Lindner zieht sich aus aktiver Politik zurück – Habeck lehnt neues Führungsamt ab – Scholz bei Koalitionsgesprächen nicht dabei, bleibt aber Abgeordneter
Die drei Lenker der Ampel-Koalition und Spitzenkandidaten von SPD, Grüne und FDP im Wahlkampf ziehen nach den enttäuschenden Ergebnissen ihrer Parteien die Konsequenzen: Christian Lindner zieht sich aus der aktiven Politik zurück. Olaf Scholz bleibt Abgeordneter. Bei Robert Habeck ist dies aktuell noch unklar.
Von Andreas Heitker, Berlin
Als Robert Habeck am Montagvormittag in Berlin vor die Bundespressekonferenz tritt, wirkt er angestrengt, ernst und unglaublich müde. Er sprach von einem „großartigen Wahlkampf“, einer „tollen Kampagne“, muss dann aber sehr schnell einräumen, dass das grüne Angebot zwar top gewesen sei – die Nachfrage aber nicht so gepasst habe. Enttäuschende 11,6% der Zweitstimmen hatten die Grünen unter der Führung des bisherigen Wirtschaftsministers eingefahren. „Es wäre mehr möglich gewesen“, sagt Habeck. Seine Partei wird bei der Regierungsbildung nicht mehr gebraucht, was für den Spitzenkandidaten bedeutet: Er werde keine führende Rolle mehr in den Personaltableaus der Partei anstreben.
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Seine weitere politische Zukunft lässt der 55-Jährige zunächst offen. Gut möglich, dass er sein Bundestagsmandat, das er über die Landesliste in Schleswig-Holstein erhalten hatte, gar nicht annimmt. Die Antwort hierzu will Habeck erst am Mittwoch nach Sitzungen der Parteigremien geben. Auch die Zukunft von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock ist noch nicht geklärt. Sie könnte allerdings die Ko-Fraktionsvorsitzende werden zusammen mit der Parteilinken Katharina Dröge. An der erst im November gewählten neuen Parteispitze soll es zunächst keine Veränderungen geben. Auch hier ist der bisherige Vizekanzler, der sein Direktmandat bei der Wahl an eine CDU-Konkurrentin verloren hatte, außen vor.
Scholz macht es wie Kohl
Anders als möglicherweise Habeck will Olaf Scholz nach seinem Ausscheiden aus dem Kanzleramt zumindest Abgeordneter im 21. Deutschen Bundestag bleiben. Der SPD-Spitzenkandidat macht es damit wie der frühere Kanzler Helmut Kohl, der 1998 nach seiner Abwahl ebenfalls im Bundestag geblieben war. Gerhard Schröder hatte dagegen 2005 kurz vor seiner Amtsübergabe an Angela Merkel (CDU) sein Mandat niedergelegt.
An vorderster Front wird allerdings der scheidende Bundeskanzler nicht mehr agieren. Er kündigte an, für die SPD nicht mehr die geplanten Koalitionsverhandlungen mit der Union führen zu wollen. Auch in der Parteiführung mit der Doppelspitze Lars Klingbeil und Saskia Esken soll sich nichts ändern – obwohl die Sozialdemokraten mit 16,4% der Zweitstimmen das schlechteste Ergebnis überhaupt in bisherigen Bundestagswahlen eingefahren hatten. Klingbeil, der am Tag der Wahl 47 Jahre alt wurde, soll zugleich noch mehr Macht in der Partei erhalten: Am Mittwoch will er sich zum Fraktionsvorsitzenden wählen lassen und damit das Amt von Rolf Mützenich übernehmen.
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Ob Klingbeil diesen Posten bei einer wahrscheinlichen Regierungsbeteiligung behalten oder dann ins Kabinett wechseln will, ließ er am Montag noch offen. Auf jeden Fall muss er sich auch auf parteiinterne Kritik einstellen, etwa durch den Juso-Vorsitzenden Philipp Türmer, der dem „Spiegel“ zu der bereits am Sonntag angekündigten Bewerbung sagte: „Durch dieses Vorgehen entstand der fatale Eindruck: Als erste Reaktion greift einer der Architekten des Misserfolgs nach dem Fraktionsvorsitz.“
Am konsequentesten fiel die Reaktion auf die Ergebnisse der Bundestagswahl bei Ex-Finanzminister Christian Lindner aus. Der FDP-Spitzenkandidat kündigte an, sich nach dem nun erneuten Ausscheiden der Liberalen aus dem Bundestag ganz aus der aktiven Politik zurückzuziehen. Zu seinen künftigen Plänen äußerte sich der 46-Jährige frühere Landtagsabgeordnete in Nordrhein-Westfalen und frühere Generalsekretär, der seit gut elf Jahren Bundesvorsitzender der FDP ist, am Montag noch nicht.
Auch Buschmann verkündet Rückzug
Nach Lindner zogen am Tag nach der Wahl weitere Spitzenpolitiker der FDP persönliche Konsequenzen. Der eigentlich designierte Generalsekretär und Ex-Justizminister Marco Buschmann erklärte, dass es „Zeit sein muss für neue frische Köpfe“. Er werde sich von dem Posten zurückziehen. Buschmann betonte zugleich, dass die FDP anders als beim letzten Ausscheiden aus dem Bundestag 2013 finanziell „solide aufgestellt“ und „wirtschaftlich gesund“ sei. Am Geld werde der Wiederaufstieg der Partei nicht scheitern.
Ringen um die FDP-Parteispitze
Als möglicher neuer Parteivorsitzender brachte sich Wolfgang Kubicki ins Spiel, der Anfang März 73 Jahre alt wird. Er sei von Vielen gebeten worden, die Führung zu übernehmen, schrieb Kubicki auf X. Er denke daher ernsthaft darüber nach, „im Mai zu kandidieren, um die Partei zusammenzuhalten und neu zu motivieren“. Die EU-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann forderte eine Neuorientierung über ein Team, in dem auch sie eine Rolle spielen könne. Sie formulierte keine Ansprüche, forderte gegenüber dpa aber, die Partei müsse sich thematisch wieder breiter aufstellen und auch die Bürgerrechte wieder mehr ins Zentrum stellen.
Nicht zur Verfügung für eine Lindner-Nachfolge stehen nach eigenen Angaben Parteivize Johannes Vogel (42) oder der bisherige stellvertretende Fraktionschef Konstantin Kuhle (36).