Exportanstieg kann über maue Auftragslage nicht hinwegtrösten
Gemischte Industriedaten im November
Deutsche Exporte steigen stärker als erwartet – Auftragseingang bleibt schwach – Binnennachfrage stabilisiert sich
Der November bringt durchwachsene Daten für die deutsche Industrie: Die Exporte steigen kräftiger als erwartet, die Auftragslage bleibt schwach. Von einer Trendwende ist angesichts der schwachen Weltwirtschaft weiter keine Spur. Zumal die Bestellungen seit einiger Zeit vor allem von Großaufträgen beeinflusst sind.
ba Frankfurt
Der deutsche Außenhandel ist im November wegen einer höheren Nachfrage aus der EU und China zwar etwas besser gelaufen, die Auftragslage der deutschen Industrie bleibt allerdings mau. Nur dank der volatil ausfallenden Großaufträge hat sie leicht zugelegt. Die gesunkenen Umsätze lassen dagegen auf einen weiteren Produktionsrückgang schließen. Von einer baldigen Trendwende ist für die deutsche Wirtschaft wegen der globalen Konjunkturschwäche insofern nichts zu sehen; ein erneutes Schrumpfen der Wertschöpfung im vierten Quartal gilt unter Ökonomen als fix.
Großaufträge reißen es heraus
Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) hat die heimische Industrie im November preis-, saison- und kalenderbereinigt 0,3% mehr Neubestellungen eingesammelt als im Vormonat. Ökonomen hatten allerdings mit einem erheblich kräftigeren Anstieg um 1,0% gerechnet, nachdem die Orderzahlen im Oktober noch um revidiert 3,8% (zuvor: 3,7%) gesunken waren. Entsprechend enttäuscht zeigten sie sich in ihren Kommentaren, auch weil das schmale Plus allein auf dem Eingang von Großaufträgen beruht: Bleiben diese außen vor, sind die Bestellungen um 0,6% gesunken. Für den weniger volatilen Dreimonatsvergleich ergibt sich damit ein Minus von 4,5% zu den drei Monaten zuvor.
Binnennachfrage stabilisiert sich
„Während sich bei den Auftragseingängen aus dem Inland in zentralen Bereichen zuletzt eine Stabilisierung andeutet, belastet die schwache Auslandsnachfrage, insbesondere aus dem Euroraum, weiterhin die Industriekonjunktur“, hieß es aus dem Bundeswirtschaftsministerium zum Plus der Inlandsaufträge um 1,4%. Die Auslandsorders hingegen sanken um 0,4%. Dabei lag der Auftragseingang aus der Eurozone um 1,9% unter dem Niveau des Vormonats, während die Bestellungen von außerhalb der Eurozone um 0,6% zulegten. „Eine Erholung der Industriekonjunktur dürfte aber im Zuge der binnenwirtschaftlichen Belebung und einer wieder anziehenden Auslandsnachfrage im Laufe der ersten Jahreshälfte einsetzen“, erwartet das Ministerium. Steigende Zinsen, anhaltend hohe Energiepreise und die schwache Weltkonjunktur bremsen weiterhin die Nachfrage.
Handelsbilanzüberschuss steigt
Als Lichtblick bezeichnen Bankökonomen daher die Exporte, die im November um 3,7% auf 131,2 Mrd. Euro zugelegt haben. Sie wurden von dem kräftigsten Monatsplus seit Februar 2022 überrascht: Sie hatten nach zwei Rückgängen in Folge – zuletzt waren es 0,4% – mit einem Anziehen um 0,3% gerechnet. Nachdem die Importe um 1,9% auf 110,8 Mrd. Euro zugelegt haben, ist der Außenhandelsüberschuss gestiegen, und zwar von 17,7 Mrd. Euro im Oktober auf 20,4 Mrd. Euro. Wie sehr aber die hohe Inflation das Zahlenwerk beeinflusst, das nur nominal Werte beinhaltet, zeigt der Jahresvergleich. Hier meldet Destatis für die Ausfuhren einen Rückgang um 5%, bei den Einfuhren sind es 12,2%.
Mehr Geschäft mit China
Für Schwung sorgten im November die Exporte in die EU-Mitgliedstaaten, die um 5,4% auf 71,5 Mrd. Euro stiegen. Wichtigste Destination von Waren "Made in Germany" waren erneut die USA, auch wenn die Ausfuhren dorthin um 1,4% auf 13,4 Mrd. Euro fielen. Das Exportgeschäft mit China legte hingegen um 3,1% auf 8,1 Mrd. Euro zu. Trotz der anhaltenden westlichen Subventionen gegen Russland kletterten die Exporte dorthin um 12,8% auf 0,7 Mrd. Euro. Das sind aber 38,3% weniger als im November 2022, als infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine der Export nach Russland bereits stark zurückgegangen war.
Trotz der besser als erwartet ausgefallenen Exportzahlen herrscht in der Branche Skepsis mit Blick auf die kommenden Monate. Das Ifo-Barometer für die Exporterwartungen fiel im Dezember um 2,6 auf –6,7 Punkte. „Die Unternehmen sehen für den Jahresbeginn wenig positive Perspektiven“, erklärte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe.
Kritik am Lieferkettengesetz
„Das weltwirtschaftliche Umfeld ist schwach und das Umfeld für anziehende Investitionen ist ungünstig“, kommentiert Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Neben den hohen Zinsen würde „auch die überbordende Bürokratie die Laune, mehr Geld in das Unternehmen zu investieren“, vertreiben. Ein Punkt, der auch den Außenhandelsverband BGA umtreibt. Da das Lieferkettengesetz zum Jahreswechsel in seine nächste Phase eingetreten sei, würden die bürokratischen Belastungen jetzt noch mehr Unternehmen treffen. „Gleichzeitig droht mit der europäischen Lieferkettenrichtlinie die nächste Verschärfung“, mahnt BGA-Präsident Dirk Jandura. Außerdem erwartet er, dass sich die Sicherheitslage im Nahen Osten sowie die Übergriffe auf Handelsschiffe im Roten Meer in den kommenden Monaten weiter negativ auswirken und in der Folge in den Handelswerten niederschlagen werden.
ING-Chefökonom Carsten Brzeski sieht den Export wie den Rest der deutschen Wirtschaft „in der Dämmerzone zwischen Rezession und Stagnation“ verharren. Seit Anfang 2022 hätten die Nettoexporte die Wirtschaft in vier von sechs Quartalen belastet. Spannungen in den Lieferketten, eine stärker fragmentierte Weltwirtschaft und der Wandel Chinas von einem dynamischen Exportziel zu einem Konkurrenten lasteten auf dem Exportsektor. „Die Abkühlung der weltweiten Nachfrage und der Krieg in Gaza mit Spannungen im Suezkanal verschärfen derzeit die strukturellen Probleme“, betont Brzeski.
Die Industrieaufträge wiederum seien seit fast zwei Jahren deflationär – sie liegen derzeit etwa 25% unter dem Stand von Mitte 2021. „Die Unternehmen können die schwächere Nachfrage nicht mehr auffangen, weil ihre Auftragsbestände nach dem Abarbeiten der während Corona liegen gebliebenen Aufträge mittlerweile zu niedrig sind“, ergänzt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Das spreche für ein weiteres Sinken der Industrieproduktion. Darauf deutet auch der Rückgang des preis-, saison- und kalenderbereinigten Umsatzes im verarbeitenden Gewerbe um 0,7% zum Vormonat. Im Oktober waren die Erlöse um revidiert 0,2 (zuvor 0,5)% gesunken.
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