EZB: Anleihekäufe treiben Targetsalden auseinander

Kein Krisensignal - "Breitflächige Umschichtungen"

EZB: Anleihekäufe treiben Targetsalden auseinander

lz Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) stellt sich dem Eindruck entgegen, dass die seit einiger Zeit wieder kräftig wachsenden Targetsalden im Euroraum ein neuerliches Krisensignal darstellen würden. Nach ihren Erkenntnissen ist die aktuelle Entwicklung weitgehend eine Reaktion auf die Anleihekäufe und hängt mehr mit der Finanzstruktur sowie den Finanzstandorten für die Abwicklung der Liquiditätsflüsse zusammen. Die EZB sieht darin also allenfalls eine technische und weniger eine (geld-)politische Reaktion.Zuletzt hatte die Deutsche Bundesbank einen neuen Rekordwert für den deutschen Targetsaldo vermeldet. Er ist Ende April auf 843 Mrd. Euro gewachsen – ein Anstieg um rund 24 Mrd. Euro zum Vormonat. Der Bundesbank zufolge dürfte noch im Verlauf des Jahres die Billionengrenze erreicht werden. Targetsalden entstehen, wenn die in einem Land geschaffenen Zentralbankreserven in ein anderes Land fließen.Während der Staatsschuldenkrise kam es zu einem “sudden stop” der ausländischen Mittelzuflüsse in die heimischen Banken und Anleihemärkte einiger Länder. Die Banken konnten sich nicht mehr am Markt finanzieren und haben auf die EZB zurückgreifen müssen. Aufgrund starker Marktspannungen wurde dann Liquidität in vergleichsweise stabile Volkswirtschaften verschoben wie Deutschland oder die Niederlande. Seither sprechen Ökonomen im Zusammenhang mit den Targetsalden von einem “Krisenbarometer”. Der frühere Präsident des Ifo-Instituts Hans-Werner Sinn hält den Mechanismus gar für eine “goldene Kreditkarte”, weil die Krisenländer damit unbegrenzt Kredit von der Bundesbank erhielten. Grenzüberschreitende AktionWährend die Steigerung der Targetsalden damals nachfragebedingt gewesen sei, betont die EZB, sei die heutige Lage dagegen “überwiegend angebotsbedingt”, weil weitgehend bestimmt von den Anleihekäufen der Notenbank. Die bei diesen Transaktionen auftretenden grenzüberschreitenden Verschiebungen erklären sich der EZB zufolge vor allem aus der dezentralen Finanzierungsstruktur im Euroraum.So seien beim Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (Asset Purchase Programme, APP) bei “volumenmäßig rund 80 % aller Käufe” ausländische Geschäftspartner beteiligt, die Hälfte habe sogar ihren Sitz außerhalb des Euroraums – meist in Großbritannien. Letztere würden über die großen Finanzzentren des Eurogebiets auf den Targetmechanismus zugreifen – vor allem über Deutschland und die Niederlande. Zudem befänden sich seit jeher die wichtigsten Finanzzentren im Euroraum in jenen Ländern, die während der Staatsschuldenkrise als weniger anfällig galten. Das erklärt nach Meinung der EZB auch den Gleichlauf in der Targetentwicklung während der Schuldenkrise und im aktuellen Fall.Nach Angaben der EZB ist seit dem Start des Anleihekaufprogramms im Euroraum allerdings weiterhin eine “breitflächige Umschichtung” von Schuldverschreibungen im Gange, was Ökonomen bisweilen auch als “schleichende Kapitalflucht” beschreiben. Bis heute, räumt die EZB ein, hätten ausländische Anleger ihr Engagement in Schuldverschreibungen von Ländern mit Targetverbindlichkeiten weiter reduziert, “wenngleich deutlich gemäßigter als in Zeiten der Staatsschuldenkrise”. Dies sei “in erheblichem Ausmaß durch die anhaltend negativen Renditeabstände zwischen Anleihen des Eurogebiets und jenen anderer fortgeschrittener Volkswirtschaften befeuert” worden, erklärt die EZB. Und auch bei solchen internationalen Portfoliorestrukturierungen seien in der Regel Akteure mit Sitz in den großen Euro-Finanzzentren dazwischengeschaltet, was “zur Akkumulation von Währungsreserven an bestimmten Standorten und zur Fortdauer der Targetsalden” beigetragen habe.