EZB beschwichtigt Ängste um Target-Salden

"Kein Symptom erneuten Stresses am Markt"

EZB beschwichtigt Ängste um Target-Salden

ms Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) ist Sorgen entgegengetreten, der jüngste Anstieg der so genannten Target-Salden zwischen den Euro-Notenbanken sei ein Signal für eine neuerliche Zuspitzung der Euro-Schuldenkrise. Diese Entwicklung sei vielmehr “eine direkte Konsequenz der Umsetzung geldpolitischer Entscheidungen und nicht ein Symptom erneuten Stresses an den Finanzmärkten”, heißt es in einem gestern vorab veröffentlichten Beitrag aus ihrem neuen Wirtschaftsbericht, der heute komplett publiziert wird.Bei der Abwicklung von Anleihekäufen der nationalen Zentralbanken im Zuge der Politik des Quantitative Easing (QE) komme es zu grenzüberschreitenden Liquiditätsflüssen, wenn Käufer und Verkäufer in verschiedenen Euro-Ländern agierten. Diese hätten dann direkten Einfluss auf das so genannte Target2-Zahlungssystem, so die EZB-Experten. Das unterscheide die aktuelle Situation fundamental von jener zwischen Mitte 2007 und Ende 2008 sowie zwischen Mitte 2011 und Mitte 2012. Damals habe der Anstieg seine Ursache in Marktstress und der Fragmentierung der Märkte gehabt. Bundesbank-Forderung steigtDie Ungleichgewichte im Target-System galten und gelten vielen Experten als eine Art Fieberthermometer für die Euro-Krise. Entsprechend hat der neuerliche Anstieg der Salden seit Anfang 2015 (siehe Grafik) Sorgen geschürt, dass sich die Schuldenkrise erneut verschärft. Die Target-Forderungen der Bundesbank beliefen sich Ende September wieder auf 715,7 Mrd. Euro. Der Spitzenwert vom Höhepunkt der Euro-Krise Mitte 2012 in Höhe von 751,4 Mrd. Euro ist da nicht mehr allzu fern.Zuletzt hatten sich Sorgen um Spanien und Portugal zwar ein wenig gelegt. Zum einen aber bleibt Griechenland ein Sorgenkind für den Euroraum und zum anderen ist Italien verstärkt in den Fokus geraten – nicht nur wegen der Probleme der Banken, sondern auch wegen des Referendums Anfang Dezember. Investoren sehen es gar als Nummer-1-Kandidat für einen Euro-Austritt.Die EZB bemüht sich nun mit ihrem Beitrag um Beruhigung. Bereits im September hatte EZB-Chefvolkswirt Peter Praet bei einem öffentlichen Auftritt detailliert den Zusammenhang zwischen dem QE der EZB und dem Anstieg der Target-Salden erörtert und Krisensorgen gedämpft. In der gleichen Richtung hat sich auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann schon geäußert. Aber nicht jeder ist überzeugt: Eine Reihe von Experten sieht den Anstieg sehr wohl als Indiz, dass das Vertrauen in die Solidität von Banken und Staatsfinanzen in den Krisenstaaten wieder schwinde und es zu neuerlicher Kapitalflucht kommen könnte.Unabhängig von der Erklärung für den neuerlichen Anstieg aber bleibt ein anderes Thema – auf das die EZB in ihrem Beitrag nicht eingeht: das Risiko, dass etwa die Bundesbank ihre Forderungen an andere Notenbanken im Falle eines Zusammenbruchs des Eurosystems oder des Austritts eines oder mehrerer Länder nicht beglichen bekäme. Die EZB verteidigt die Saldenmechanik zwar immer als eher stabilisierendes Element der Währungsunion und argumentiert, angesichts der Irreversibilität des Euro stellten die Salden kein Risiko dar. Kritiker dagegen verweisen nicht zuletzt auf den Fall Griechenland, in dem selbst führende Euro-Politiker öffentlich mit einem Euro-Ausscheiden Athens geliebäugelt hatten.