EZB-Direktor Mersch heizt Exit-Debatte an

Notenbanker: Politische Risiken haben abgenommen

EZB-Direktor Mersch heizt Exit-Debatte an

ms Frankfurt – EZB-Direktoriumsmitglied Yves Mersch hat die Debatte über eine allmähliche Abkehr der Europäischen Zentralbank (EZB) von ihrer ultralockeren Geldpolitik befeuert. Die Erholung im Euroraum nehme immer mehr an Fahrt auf, sagte Mersch gestern laut Redetext in Tokio. Eine ausgewogene Einschätzung der Abwärts- und Aufwärtsrisiken sei “in Reichweite”. Wenn sich die Euro-Wirtschaft erhole und sich die Inflation weiter nachhaltig Richtung 2 % bewege, sei eine Diskussion über eine Normalisierung der Geldpolitik “berechtigt”, so Mersch.Mit seinen Aussagen schürte Mersch Erwartungen, dass der EZB-Rat im Juni zu einer solchen ausgewogenen Risikoeinschätzung in Sachen Wachstum kommen könnte. Bislang dominieren aus Sicht der Mehrheit der Euro-Notenbanker die Abwärtsrisiken. Eine ausgeglichene Einschätzung gilt vielen Beobachtern als Voraussetzung, dass die EZB ihre Neigung zu einer weiteren Lockerung (“Easing bias”) sowohl bei den Zinsen wie bei den Wertpapierkäufen (Quantitative Easing, QE) aufgibt – was wiederum als ein nötiger Schritt hin zu einem Ende des ultralockeren Kurses angesehen wird.Mersch betonte aber gestern auch, dass die Risikobalance beim Wachstum das eine sei und jene bei der Inflation das andere. Bereits nach der jüngsten Zinssitzung hatte EZB-Präsident Mario Draghi stark den Unterschied hervorgehoben und erklärt, dass für den “Easing bias” die Inflation entscheidend sei. Das lässt sich auch so interpretieren, dass die EZB ihre Bereitschaft, falls nötig die Zinsen erneut zu senken oder die Wertpapierkäufe wieder hochzufahren, nicht automatisch aufgibt, selbst wenn sie im Juni die Wachstumsrisiken als neutral bewertet.Mersch hob indes zugleich hervor, dass die Wirtschaft aktuell über Potenzial wachse. Das sollte dazu führen, dass sich die Outputlücke schließe und die Inflation Richtung 2 % ansteigen sollte. Er verwies in dem Kontext darauf, dass Marktteilnehmer keine Deflationsrisiken und weitere Zinssenkungen mehr erwarteten, sondern sich der Fokus hin zu einer Normalisierung verschiebe. Erleichterung über MacronMersch betonte auch, dass die politischen Risiken seit Jahresbeginn nachgelassen hätten. In der EZB dürfte auch die Wahl von Emmanuel Macron zum französischen Präsidenten am Wochenende für große Erleichterung gesorgt haben. Das könnte die Entwicklung hin zu einer ausgewogenen Einschätzung der Wachstumsrisiken im Juni begünstigen.Jede Diskussion über eine geldpolitische Normalisierung müsse aber behutsam angegangen werden, mahnte Mersch gestern. In Notenbankkreisen gibt es große Sorgen, dass die EZB mit kleinsten Änderungen ihrer Kommunikation für große Marktbewegungen sorgen könnte.Vor allem in Deutschland werden die Rufe nach einem raschen Kurswechsel indes lauter. Am Wochenende hatte zudem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit Aussagen aufhorchen lassen, es gebe “Andeutungen aus dem Kreis des EZB-Vorstands, wonach man dort allmählich den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik einleiten will”.