Geldpolitik

EZB-Direktorin Schnabel schlägt scharfen Ton an

Nach der EZB-Zinserhöhung vergangenen Donnerstag ist bereits eine Debatte entbrannt, wie weit die Leitzinsen im Euroraum noch steigen. Einige Beobachter und auch Notenbanker warnen davor zu überziehen. EZB-Direktorin Isabel Schnabel hält dagegen.

EZB-Direktorin Schnabel schlägt scharfen Ton an

EZB-Direktorin Schnabel schlägt scharfen Ton an

„Lieber zu viel als zu wenig tun“ – Risiko erneuter Unterschätzung der Inflation – Chefvolkswirt Lane: Datenlage entscheidet

ms Frankfurt

Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte in der aktuellen Situation mit sehr hoher Inflation ihre Geldpolitik im Zweifelsfall lieber zu stark straffen als zu wenig. Diese Position hat EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel am Montag vertreten. Zur Begründung verwies sie vor allem darauf, dass es sehr hohe wirtschaftliche Kosten verursache, wenn sich die Inflation verfestigen würde und das später wieder rückgängig gemacht werden müsste. Sie betonte zudem die Gefahr, dass die Inflation derzeit erneut unterschätzt werde.

Mit ihren Aussagen befeuert Schnabel die Debatte über den weiteren Zinskurs der EZB und schürt Spekulationen, dass die Euro-Leitzinsen auch über die bereits avisierte Zinsanhebung im Juli hinaus erhöht werden. Sie stellt sich zudem klar gegen Argumente, dass die EZB mit ihren Zinserhöhungen überziehe. Rund um die jüngste Zinssitzung der EZB vergangene Woche hatten vor allem deutsche Gewerkschaftsvertreter gewarnt, dass die EZB die Euro-Wirtschaft unnötig abwürge. Im Winterhalbjahr ist sie zwei Quartale in Folge geschrumpft, also in eine technische Rezession gerutscht.

Angesichts der zu lange zu hohen Inflation hatte der EZB-Rat am Donnerstag seine Leitzinsen erneut um 25 Basispunkte angehoben. Die Gesamtstraffung seit Juli beläuft sich damit auf 400 Basispunkte – was beispiellos ist. Für die Juli-Sitzung hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde eine weitere Anhebung um 25 Basispunkte als „sehr wahrscheinlich“ bezeichnet. Darüber hinaus hielt sie sich aber sehr bedeckt. Im besonderen Fokus steht schon jetzt die Sitzung im September – nach der Sommerpause der Euro-Notenbanker. Die Meinungen der Euro-Notenbanker driften dabei zunehmend auseinander (vgl. BZ vom 17. Juni).

„Wir müssen in hohem Maße datenabhängig bleiben und lieber zu viel als zu wenig tun“, sagte EZB-Direktoriumsmitglied Schnabel nun am Montag in einer Rede in Luxemburg. „Das Risiko einer Entankerung der Inflationserwartungen und einer schwächeren geldpolitischen Transmission deutet darauf hin, dass es eine Grenze dafür gibt, wie lange die Inflation über unserem 2-Prozent-Ziel bleiben kann.“ Sie verwies darauf, dass auch der Internationale Währungsfonds (IWF) eine klare Empfehlung in diese Richtung gegeben habe. Wenn die Dauer der Inflation ungewiss sei, sprächen Überlegungen zum Risikomanagement für einen strafferen geldpolitischen Kurs.

Sorge um Inflationserwartungen

Schnabel sagte, dass die Kosten für den Schutz der Wirtschaft vor Aufwärtsrisiken für die Inflation „vergleichsweise gering seien“, da der Leitzins schneller auf ein neutrales Niveau zurückgeführt werden könne, als wenn die politischen Entscheidungsträger unter der Annahme einer niedrigen Inflationspersistenz handeln würden. Zweitens sei es „sehr kostspielig“, erst dann zu reagieren, wenn sich die Aufwärtsrisiken für die Inflation verwirklicht hätten, da dies die Inflationserwartungen destabilisieren könnte. Das könnte dann eine stärkere Schrumpfung der Produktion erforderlich machen, um die Preisstabilität wiederherzustellen.

Schnabel verwies zudem auf eine aktuelle Analyse der Zentralbank der Zentralbanken BIZ, laut der Fehler bei den Inflationsprognosen im Laufe der Zeit stark korrelieren. „Mit anderen Worten: Die Tatsache, dass wir die Inflationspersistenz im vergangenen Jahr unterschätzt haben, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass wir die Inflation auch heute unterschätzen“, so Schnabel. Deshalb ihr klares Plädoyer: „Wir müssen die Zinsen so lange erhöhen, bis wir überzeugende Beweise dafür sehen, dass die Entwicklung der zugrunde liegenden Inflation mit einer nachhaltigen und zeitnahen Rückkehr der Gesamtinflation zu unserem mittelfristigen Ziel von 2% vereinbar ist“, führte sie aus. Die Euro-Inflation ist seit Oktober von 10,6% auf 6,1% zurückgegangen. Die Kerninflation (ohne Energie und Lebensmittel) verharrt ebenfalls sehr hoch, bei zuletzt 5,3%.

EZB-Chefvolkswirt Philip Lane sagte am Montag, dass ein weiterer Schritt nach oben im Juli angemessen erscheine. Mit Blick auf September wollte er sich allerdings nicht festlegen. Die EZB lasse sich bei ihren geldpolitischen Entscheidungen von der Datenlage leiten, sagte Lane anlässlich einer Veranstaltung in Madrid. Der September sei noch weit entfernt.

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