Geldpolitik

EZB erhöht Leitzins zum neunten Mal in Folge

Die EZB setzt ihre geldpolitische Straffung mit einer erneuten Zinserhöhung fort. Zum künftigen Kurs gibt die Zentralbank kaum Forward Guidance.

EZB erhöht Leitzins zum neunten Mal in Folge

Die Europäische Zentralbank (EZB) setzt ihren beispiellosen Straffungskurs fort und erhöht die Leitzinsen wie erwartet ein weiteres Mal um 25 Basispunkte. Damit steigt der Hauptrefinanzierungssatz auf 4,25%, der aktuell noch wichtigere Einlagensatz auf 3,75%. Die EZB hat damit seit Beginn der Zinswende im Juli 2022 die Leitzinsen um 425 Basispunkte erhöht – so aggressiv wie nie zuvor. „Die Inflation geht weiter zurück, wird aber voraussichtlich noch zu lange zu hoch bleiben”, begründete die EZB in ihrem Kommuniqué die Zinsanhebung.

Die EZB teilte zudem mit, dass sie künftig die Mindestreserven der Banken mit 0% verzinst. Bislang wurden sie positiv verzinst. „Durch diesen Beschluss bleibt die Wirksamkeit der Geldpolitik gewahrt, da das derzeitige Maß an Kontrolle über den geldpolitischen Kurs beibehalten und das vollständige Durchwirken der Zinsbeschlüsse auf die Geldmärkte sichergestellt wird“, erklärte die EZB. Zugleich mache der Beschluss die Geldpolitik effizienter, indem der insgesamt auf Reserven zu zahlende Zinsbetrag, der zur Umsetzung des angemessenen Kurses erforderlich sei, reduziert werde.

Mit Spannung wurde im Vorfeld darauf gewartet, welche Implikationen vom heutigen Zinsentscheid für den kommenden im September ausgehen wird. Der geldpolitische Kurs im Herbst ist unter Ökonomen umstritten – aber auch innerhalb des EZB-Rats. Die EZB hält sich offen, ob im September eine weitere Zinserhöhung folgen wird oder nicht. „Wir könnten erhöhen, wir könnten den Zinssatz unverändert lassen“, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf der Pressekonferenz nach dem Zinsentscheid.

Am Mittwochabend deutscher Zeit, hatte ihr amerikanischer Amtskollege Jerome Powell betont, dass die Fed sich offen hält, ob sie nach ihrer gestrigen Leitzinserhöhung um 25 Basispunkte ein weiteres Mal straffen wird, oder sie die Zinsen im September unverändert lässt.

Konjunktur schwächelt wegen hoher Zinsen

Die Verfechter einer lockereren Geldpolitik im EZB-Rat, die sogenannten Tauben, sprechen sich dafür aus, die Leitzinsen bei der kommenden Zinssitzung nicht ein weiteres Mal anzuheben. Sie verweisen darauf, dass die Wirtschaft bereits merklich schwächelt – sowohl die Wirtschaft der Eurozone als auch die Deutschlands befindet sich in einer technischen Rezession – und aufgrund der verzögerten Wirkung von Zinserhöhungen auf die Realwirtschaft noch weiter abkühlen wird. Die Tauben sorgen sich daher, dass die EZB im Kampf gegen die hohe Inflation überziehen könnte.

Die Inflation hat seit ihrem Höhepunkt im Oktober, der bei 10,6% lag, deutlich nachgelassen und befand sich im Juni bei 5,5% – was allerdings immer noch deutlich oberhalb des 2-Prozent-Ziels der EZB ist. Die Tauben gehen davon aus, dass die Inflation in den kommenden Monaten deutlich sinken wird und verweisen dabei unter anderem auf die Entwicklung der Erzeugerpreise. Diese wirken sich in der Regel zeitverzögert auf die Verbraucherpreise aus, da die Hersteller gewerblicher Produkte Preisänderungen oft zumindest teilweise an ihre Kunden weitergeben. Zuletzt waren die Erzeugerpreise praktisch gar nicht mehr gestiegen.

Zu hohe Kerninflation

Die Anhänger einer restriktiveren Geldpolitik im EZB-Rat, die sogenannten Falken, argumentieren, dass die Gesamtinflationsrate in den vergangenen Monaten zwar deutlich gesunken ist, die Kernrate jedoch nicht. Diese gilt Notenbankern als guter Gradmesser für den zugrundeliegenden Preisdruck, da hier die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise ausgeklammert werden. Die Kerninflation in der Eurozone stieg zuletzt von 5,3% auf 5,5%.

Eine Zinspause kommt für die Falken erst infrage, wenn die Kerninflation deutlich nachlässt. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) rät der EZB, die geldpolitische Straffung nicht zu früh auszusetzen. Eine zu späte Zinspause habe gravierendere Folgen als eine zu frühe. „Eine weitere Straffung der Geldpolitik, die noch einige Zeit beibehalten wird, ist notwendig, um die Inflation auf das Zielniveau zu bringen“, heißt es in einem IWF-Bericht.

Debatte über Zeitpunkt erster Zinssenkungen

Wenn der Zinsgipfel der EZB erreicht ist, wollen die Währungshüter ihn zur Eindämmung der Inflation für längere Zeit beibehalten – wie es auch der IWF fordert. „Die künftigen Entscheidungen des EZB-Rats werden sicherstellen, dass die Leitzinsen der EZB so lange wie nötig auf einem ausreichend restriktiven Niveau festgelegt werden, um eine rechtzeitige Rückkehr der Inflation zum mittelfristigen Ziel von 2 % zu erreichen”, heißt es in dem EZB-Kommuniqué. Von Bloomberg befragte Volkswirte gehen mehrheitlich allerdings nicht davon aus, dass dass das Zinsniveau lange gehalten wird. Sie rechnen schon nach sechs Monaten mit der ersten Zinssenkung.

Für die EZB kann eine solche Erwartungshaltung zum Problem werden. Gehen viele Finanzmarktteilnehmer von baldigen geldpolitischen Lockerungen aus, lockern sich tendenziell auch die Finanzierungsbedingungen wieder – was den Inflationsdruck erhöht und die Zinspolitik der EZB konterkariert. „Die EZB wird einen Grund finden müssen, die Zinserhöhungen in naher Zukunft zu stoppen und gleichzeitig eine glaubwürdige Tendenz zur Straffung beizubehalten”, sagt Kristian Tödtmann, Leiter des Bereichs Geldpolitik und Kapitalmärkte bei der DekaBank. Die DekaBank geht in ihrem in der Börsen-Zeitung veröffentlichten Deka-EZB-Zinskompass nicht davon aus, dass eine weitere Zinserhöhung im September nötig sein wird.

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