EZB erwartet Einbruch beim Lohnwachstum
EZB erwartet Einbruch beim Lohnwachstum
Lagarde will bei Steuerung der Geldpolitik „extrem“ auf die Entwicklung der Konjunkturdaten achten
mpi Frankfurt
Die EZB rechnet damit, dass der Inflationsdruck, der von höheren Löhnen ausgeht, in den kommenden Monaten stark nachlassen wird. Laut dem am Mittwoch von der Notenbank veröffentlichten Lohnindikator schwächt sich das Lohnwachstum 2025 im Jahresdurchschnitt auf 3,1% ab, nach 4,8% im Vorjahr. Die auch als Wage Tracker bekannte Schätzung basiert auf bereits ausgehandelten Lohnvereinbarungen.
Das kräftige Lohnwachstum infolge der hohen Inflation ab 2021 ist der Hauptgrund, weswegen die Dienstleistungsinflation im Euroraum hartnäckig hoch ist. Über etliche Monate stagnierte sie bei rund 4%. Dies verhinderte eine Rückkehr zum Inflationsziel der EZB von 2% für den gesamten Warenkorb. Zuletzt war die Dienstleistungsinflation auf 3,4% gefallen. Ein wesentlicher Baustein bei der Inflationsprognose der EZB ist die Annahme, dass sich das Lohnwachstum verlangsamen wird.
Unternehmen erwarten geringeres Lohnwachstum
Diese Prognose wird nicht nur vom Wage Tracker gestützt, der einen Anstieg der Löhne im vierten Quartal 2025 von nur noch 1,6% vorhersagt. Bei einer bereits am Dienstag veröffentlichten Umfrage der EZB gaben die Unternehmen an, dass sie für das laufende Jahr ein durchschnittliches Lohnwachstum von 3% erwarten. Erhöhungen dürften zudem wahrscheinlich im Einklang mit der Inflation und den Produktivitätszuwächsen stehen, meinen die Firmen.

Der Lohnindikator der EZB wird allerdings auch stark von Einmalzahlungen beeinflusst, die unter anderem in Deutschland üblich sind. So konnten Unternehmen hierzulande bis Ende 2024 beispielsweise eine sogenannte Inflationsprämie von maximal 3.000 Euro steuerfrei an ihre Mitarbeiter auszahlen. Berücksichtigt man Einmalzahlungen nicht, ist der vorhergesagte abnehmende Trend beim Lohnwachstum nicht mehr ganz so stark ausgeprägt. Dann liegt die Zunahme für 2025 bei 3,8%, nach 4,2% im Vorjahr.
Zölle lasten auf Inflationsausblick
Die Löhne sind zwar ein wichtiger Baustein für die EZB, doch dominieren die unklaren Auswirkungen des Zollkonflikts derzeit den Inflationsausblick. EZB-Präsidentin Christine Lagarde möchte daher noch stärker von Sitzung zur Sitzung über die Steuerung der Geldpolitik entscheiden. Die EZB müsse „extrem“ auf die Entwicklung der Konjunkturdaten achten und wenn nötig den Kurs anpassen, sagte sie dem Sender „CNBC“ am Rande der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington.
Sie bekräftigte zudem, dass der disinflationäre Prozess intakt sei. Man stehe kurz vor dem Erreichen des Inflationsziels, müsse wegen möglicher Schocks jedoch wachsam bleiben. Ähnlich äußerten sich auch weitere EZB-Ratsmitglieder. „Ich bin sehr optimistisch, wenn es um die Preisstabilität geht, dass dieser Auftrag im Verlauf dieses Jahres erfüllt wird“, sagte Bundesbankpräsident Joachim Nagel „Bloomberg TV“ in Washington. „Aber es gibt viel Unsicherheit.“
Inflationserwartungen stabil
Finanzanalysten erwarten trotz des Handelskonflikts keine höhere Inflation für Deutschland und die gesamte Eurozone. Die Inflationsrate werde im gemeinsamen Währungsraum gemäß einer Umfrage des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in diesem und im kommenden Jahr bei 2,3% liegen. Für Deutschland sagen sie ähnliche Werte voraus. „Die Inflationsgefahr ist nicht gestiegen“, resümiert daher das ZEW.
Für die USA gelte das jedoch nicht. Die Analysten sagen von 2025 bis 2027 eine Inflation von rund 3% voraus. „Die turbulente protektionistische Handelspolitik der USA könnte nicht nur den Welthandel beeinträchtigen, sondern gravierende Folgen für die Preisstabilität in den USA haben“, sagte ZEW-Expertin Lora Pavlova.