EZB-Exitdebatte nimmt Fahrt auf
Der EZB-Rat steuert auf ein Ende der Anleihekäufe Ende 2018 und eine erste Leitzinserhöhung Mitte 2019 zu. Klare Signale scheuen viele Notenbanker bislang aber – auch weil sich die Euro-Wirtschaft leicht eintrübt und der drohende Handelskrieg einige verunsichert. ms/jw/kaz Frankfurt – Trotz einiger schwächerer Konjunkturdaten zuletzt und einer anhaltend unter Ziel liegenden Inflation im Euroraum nimmt die Debatte über ein Ende der ultralockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) Fahrt auf. Gestern veröffentlichte Daten etwa zur Wirtschaftsstimmung und zur Kreditvergabe fielen erneut schwächer aus und blieben teils hinter den Erwartungen zurück. Zugleich nährten hochrangige Euro-Notenbanker aber Erwartungen an ein Ende der umstrittenen Anleihekäufe Ende 2018 und eine erste Leitzinserhöhung Mitte 2019. QE-Entscheidung im SommerEZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny sagte gestern in Wien, dass der EZB-Rat wahrscheinlich im Sommer über die Zukunft der Anleihekäufe (Quantitative Easing, QE) entscheiden werde. Falls dann die Entwicklung wie erwartet verlaufen sei, gebe es die Möglichkeit, die Käufe “erheblich zu drosseln und in Richtung Programmende zu gehen”, sagte Österreichs Notenbankchef. Litauens Notenbankgouverneur Vitas Vasiliauskas sagte derweil in Vilnius, der EZB-Rat stimme “aus heutiger Sicht” wohl mit der Markterwartung überein, dass die Zinsen Mitte 2019 steigen.Im Kampf gegen die unter Ziel liegende Inflation kauft das Eurosystem aus EZB und nationalen Zentralbanken aktuell noch für rund 30 Mrd. Euro im Monat Wertpapiere, vor allem Staatsanleihen. Die Käufe sind bis mindestens Ende September beschlossen. Das Ende ist explizit offengelassen. Erst nach dem Ende der Nettokäufe will der EZB-Rat Zinserhöhungen in Betracht ziehen.In Notenbankkreisen scheinen viele ein Szenario zu teilen, gemäß dem der Rat nach September keine großen Volumina mehr erwirbt und die Käufe allenfalls bis Jahresende auslaufen lässt (vgl. unter anderem BZ vom 6. März). Dann wären 2019 erste Leitzinserhöhungen möglich und denkbar. Viele Notenbanker scheuen aber bislang klare Signale. Nicht zuletzt der drohende Handelskrieg verunsichert viele von ihnen.Zudem hat sich die Lage der Euro-Wirtschaft zuletzt etwas eingetrübt. Eine Reihe von Stimmungsindikatoren gab etwas nach. Die generell gewachsene Zuversicht im EZB-Rat, dass die Inflation von zuletzt 1,1 % in Richtung des EZB-Ziels von unter, aber nahe 2 % klettert, basiert aber wesentlich auf der starken Konjunkturlage. Beobachter sehen durch die Eintrübung den Exit erschwert.Tatsächlich verharren viele Stimmungsindikatoren aber trotz Abschwächung auf hohen Niveaus und signalisieren weiter robustes Wachstum. Die EZB selbst prognostiziert zudem einen leichten Rückgang des Wachstums von 2,5 % im vergangenen Jahr in den nächsten Jahren. Die jüngsten Aussagen legen nahe, dass sich am grundlegenden Bild des Rates bislang wenig geändert hat.Ähnlich wie Nowotny hatte jüngst bereits Bundesbankpräsident Jens Weidmann wiederholt für ein Ende der QE-Nettokäufe zum Jahresende plädiert und signalisiert, dass der EZB-Rat in die Richtung marschiere. Nowotny gilt als gemäßigter Notenbanker, der tendenziell den Konsens wiedergibt. Unlängst hatte auch EZB-Direktoriumsmitglied Yves Mersch gesagt, dass aus seiner Sicht die Voraussetzungen für ein QE-Ende gegeben seien. Was erste Zinserhöhungen betrifft, hatten vor Vasiliauskas ebenfalls Weidmann und Estlands Zentralbankchef Ardo Hansson Markterwartungen für Mitte 2019 genährt. “Aus heutiger Sicht können wir wahrscheinlich mit der Markterwartung übereinstimmen”, sagte Vasiliauskas gestern. Im Januar hatte sich auch EZB-Präsident Mario Draghi in diese Richtung geäußert.Unterdessen wurde gestern bekannt, dass sich die Wirtschaftsstimmung im Euroraum im März den dritten Monat in Folge eingetrübt hat. Der Economic Sentiment Indicator (ESI), der die Stimmung in Unternehmen und privaten Haushalten misst, fiel im Vergleich zum Vormonat um 1,6 Punkte auf 112,6 Zähler, wie die EU-Kommission mitteilte. Volkswirte hatten nur mit einem Rückgang auf 113,3 Punkte gerechnet. Der Indikator befindet sich aber weiter auf einem hohen Niveau.Zugleich teilte die EZB selbst mit, dass sich die Kreditvergabe im Februar leicht abgeschwächt hat. Im Februar vergaben die Geldhäuser beispielsweise an Unternehmen 3,1 % mehr Darlehen als ein Jahr zuvor. Im Januar hatte der Zuwachs in dieser zentralen Kategorie noch bei 3,4 % gelegen. Zudem schwächte sich das Wachstum der Geldmenge in der Eurozone stärker als erwartet ab. Bei der breit gefassten Geldmenge M 3 ging das Wachstum von revidiert 4,5 % im Januar auf 4,2 % zurück. Das Wachstum der enger gefassten Geldmenge M 1 verringerte sich ebenfalls – von 8,8 % auf 8,4 %.