Ringen um Geldpolitik

EZB-Granden erteilen Zinsfantasien eine Absage

Zuletzt hatten einige Hardliner („Falken“) im EZB-Rat erklärt, dass weitere Zinserhöhungen durchaus möglich seien. Andere Notenbanker reden nun eher der Strategie das Wort, die Zinsen nicht weiter anzuheben, aber länger hochzuhalten. Daran gibt es aber auch Kritik.

EZB-Granden erteilen Zinsfantasien eine Absage

EZB-Granden erteilen Zinsfantasien eine Absage

Villeroy de Galhau: Weitere Zinserhöhungen nur bei neuen Schocks – De Guindos: Zu früh für Debatte über niedrigere Zinsen

ms Frankfurt

Neue Aussagen führender Euro-Notenbanker haben Erwartungen bestärkt, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Leitzinsen nicht weiter anhebt – aber auch nicht so bald senkt. Frankreichs Notenbankchef François Villeroy de Galhau sagte am Donnerstag im französischen Radio, dass die EZB-Leitzinsen nur im Fall neuer „Schocks“ weiter steigen dürften. Zugleich sagte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos in einem Zeitungsinterview, dass Spekulationen auf Zinssenkungen verfrüht seien. Die EZB müsse nun sicherstellen, dass die Inflationserwartungen stabil blieben.

Der EZB-Rat hatte im Oktober nach zehn Zinserhöhungen in Folge erstmals seine Leitzinsen unverändert gelassen. Die meisten Beobachter setzen darauf, dass damit der Zinshöhepunkt erreicht ist. Viele spekulieren zudem schon auf Zinssenkungen im nächsten Jahr. In den vergangenen Tagen hatten dann aber vor allem einige Hardliner („Falken“) im EZB-Rat erklärt, dass es zu früh sei, um die Zinserhöhungskampagne für beendet zu erklären, und alles weitere von den Daten abhänge. Dazu gehört auch Bundesbankpräsident Joachim Nagel. Die Inflation ist zuletzt deutlich auf 2,9% zurückgegangen, liegt aber immer noch oberhalb des EZB-Ziels von 2,0%. Zugleich droht der Wirtschaft jedoch eine Rezession.

Hohe Zinsen „nicht angenehm“

Villeroy de Galhau verwies nun auf den starken Rückgang der Teuerung im vergangenen Jahr. Im Oktober 2022 hatte sie noch den absoluten Rekordwert von 10,6% erreicht. Bei der Inflationsrate sei trotz einer gewissen Volatilität der Trend „eindeutig rückläufig“, so Villeroy de Galhau bei Radio Classique. „Das Mittel gegen die Inflation sind die Zinssätze. Sie sind nicht angenehm, aber sie sind wirksam und sie verankern unsere Verpflichtung, die Inflation wieder in Richtung 2% zu bringen.“ Er schloss eine Senkung der Zinssätze in naher Zukunft aus. Villeroy de Galhau gilt eher als „Taube“, aber auch als jemand, der oft Konsensmeinungen im Rat widergibt. Deswegen finden seine Worte stets viel Gehör.

„Jede Diskussion über Zinssenkungen ist eindeutig verfrüht“, sagte auch EZB-Vize de Guindos in einem Interview mit der slowenischen Zeitung „Finance“. „Wir werden sehen, wie sich die Dinge von Monat zu Monat entwickeln, aber unser Ansatz besteht jetzt darin, die Zinssätze lange genug auf diesem Niveau zu halten, um unser Ziel zu erreichen.“ Der EZB-Rat entscheide über die Leitzinsen weiterhin von Sitzung zu Sitzung und auf Basis der aktuellen Konjunkturdaten, ergänzte der Spanier. „Wir müssen umsichtig und vorsichtig sein, da die Inflationsaussichten in den nächsten Monaten mit einigen Risiken behaftet sind.“

Commerzbank kritisiert EZB-Strategie

Die Commerzbank kritisierte am Donnerstag in einer Analyse die Strategie der EZB, die Zinsen nicht zu sehr anzuheben, diese aber für längere Zeit auf diesem Niveau zu halten („lower high for longer“). „Sie riskiert damit, dass sich die Inflation auf einem höheren Niveau festsetzt“, so Commerzbank-Volkswirt Marco Wagner. So hätten etwa die Inflationserwartungen im Euroraum sehr viel weniger stark auf die Zinserhöhungen reagiert als in den USA. „Damit hätten die Notenbanker auf Jahre hinaus keinen Spielraum für nennenswerte Zinssenkungen, und die Wirtschaft müsste mit angezogener Handbremse fahren.“

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