Geldpolitik

EZB-Granden ringen um weiteren Zinskurs

Der EZB-Rat hat gerade erst seine Leitzinsen erneut erhöht und für Juli bereits eine weitere Anhebung avisiert – da entbrennt schon eine Debatte über noch mehr Zinsschritte. Die Meinungen driften zunehmend auseinander.

EZB-Granden ringen um weiteren Zinskurs

Kontroverse Debatte über EZB-Kurs

Falken im Rat liebäugeln mit Zinserhöhungen über Juli hinaus – Tauben warnen vor Vorfestlegung – Kerninflation im Fokus

Der EZB-Rat hat gerade erst seine Leitzinsen erneut erhöht und für Juli bereits eine weitere Anhebung avisiert – da entbrennt schon eine Debatte über noch mehr Zinsschritte. Das gibt einen Vorgeschmack auf die kontroversen Debatten, die im Sommer anstehen dürften. Die Meinungen driften auseinander.

ms/rec Frankfurt/Brüssel

Nur einen Tag nach der jüngsten Zinssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag ist am Freitag unter den Euro-Notenbankern bereits ein hartes öffentliches Ringen um den weiteren Zinskurs entbrannt. Die Hardliner im EZB-Rat, die „Falken“, betonten, dass die Leitzinsen nicht nur wie bereits avisiert im Juli, sondern womöglich auch im September weiter angehoben werden müssten. Entsprechend äußerte sich auch Bundesbankpräsident Joachim Nagel. Belgiens Zentralbankchef Pierre Wunsch sprach sogar von möglichen Schritten nach September. Dagegen warnten die „Tauben“ im EZB-Rat vor verfrühten Vorfestlegungen.

Blick auf September

Angesichts der zu lange zu hohen Inflation hatte der EZB-Rat am Donnerstag seine Leitzinsen erneut um 25 Basispunkte angehoben. Das war die achte Zinserhöhung in Folge und die Gesamtstraffung seit Juli beläuft sich damit auf 400 Basispunkte – was beispiellos ist. Für die Juli-Sitzung hatte EZB-Präsidentin Christine Lagarde eine weitere Anhebung um 25 Basispunkte als „sehr wahrscheinlich“ bezeichnet. Darüber hinaus hielt sie sich aber sehr bedeckt. Im besonderen Fokus steht schon jetzt die Sitzung im September – nach der Sommerpause der Euro-Notenbanker.

Die Euro-Inflation ist seit Oktober 2022 vom absoluten Rekordhoch von 10,6% bis auf 6,1% im Mai zurückgegangen. Das ist aber immer noch mehr als drei Mal so hoch wie das mittelfristige Inflationsziel der EZB von 2,0%. Auch die Kerninflation ohne Energie und Lebensmittel hält sich hartnäckig hoch, auch wenn sie im Mai erstmals spürbar von 6,5% auf 5,3% nachgab. Die EZB-Volkswirte hatten am Donnerstag ihre Projektionen für die Gesamt- und die Kerninflation im Jahr 2025 auf 2,2% und 2,3% sogar weiter erhöht. Zugleich ist aber die Euro-Wirtschaft im Winterhalbjahr anders als zunächst gedacht in die technische Rezession gerutscht, also zwei Quartale in Folge geschrumpft.

“So wie ich das sehe, haben wir immer noch eine Wegstrecke zu gehen”, sagte Bundesbankpräsident Nagel nun am Freitag in einer Rede auf einer Veranstaltung der Group of Thirty in Amsterdam. “Möglicherweise müssen wir nach der Sommerpause die Zinsen weiter anheben”, fügte er hinzu. Ähnlich äußerten sich am Freitag auch die Zentralbankchefs aus Österreich, Slowenien und Litauen.

Belgiens Zentralbankchef Wunsch ging sogar noch einen Schritt weiter. Für ihn wird viel davon abhängen, ob die Kerninflation weiter sinkt. Sollte sie erheblich zurückgehen, würden die Zinsen zwar nicht erhöht, sagte Wunsch vor Journalisten in Brüssel. Aber sollte es keinen Rückgang geben, könnten die Zinsen im September angehoben werden, und es könne dann sogar noch mehr kommen. “Wenn die Kerninflation in den kommenden Monaten auf Jahresbasis bei etwa 5% bleibt, dann werden wir über den September hinaus anheben“, sagte er.

Dagegen warnte der portugiesische Notenbankchef Mario Centeno vor “Aussagen über die Zukunft”, während der Chef der französischen Zentralbank, Francois Villeroy de Galhau, die Wetten der Anleger auf Anhebungen als “übermäßig volatil” bezeichnete und dazu aufrief, keine voreiligen Schlüsse darüber zu ziehen, wo die Kreditkosten ihren Höhepunkt erreichen könnten. Vor allem die Aussagen von Villeroy de Galhau finden stets viel Aufmerksamkeit. Zwar gilt er tendenziell auch eher als “Taube”, aber zugleich als jemand, der den weiteren Kurs oft treffend signalisiert.

EZB-Präsidentin Lagarde hatte am Donnerstag gesagt, dass die Aussichten für Inflation und Wachstum weiterhin “höchst unsicher” seien. Deswegen sei die EZB stark datengetrieben und werde von Sitzung zu Sitzung entscheiden. Dennoch kündigte sie de facto für Sitzung am 27. Juli bereits eine weitere Zinserhöhung an.

Nach der Zinssitzung am Donnerstag korrigierten einige Bankökonomen ihre Zinsprognosen nach oben. Goldman Sachs etwa sieht den Gipfel des Einlagensatzes von aktuell 3,5% nun erst bei 4% erreicht, weil die höheren Inflationsprognosen es schwieriger machten, den Zinszyklus schon im Juli zu beenden. Andere dagegen betrachten die EZB-Projektionen für die Inflation und das Wachstum als zu hoch und erwarten weiterhin eine letzte Zinserhöhung im Juli.

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kristalina Georgiewa, begrüßte die Entscheidung der EZB. „Die Zinsen müssen für einige Zeit im restriktiven Bereich bleiben, bis die Inflationserwartungen fest verankert sind“, sagte sie am Freitag in Brüssel. Der IWF empfiehlt, momentan im Zweifel auf eine stärkere Straffung zu setzen. „Wir müssen sicherstellen, dass die Inflation entschieden auf dem Abwärtstrend ist“, so Georgiewa.

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