EZB-Granden sehen Inflation noch nicht besiegt
EZB-Granden sehen Inflation nicht besiegt
Lagarde & Co. betonen Notwendigkeit anhaltend höherer Zinsen – Sorgen wegen jüngstem Anstieg der Energiepreise
ms Frankfurt
Die EZB hat ihre Leitzinsen so aggressiv erhöht wie nie, um die rekordhohe Inflation einzudämmen. Jetzt lässt die Teuerung nach und es wird bereits über rasche Zinssenkungen spekuliert. Die Euro-Notenbanker versuchen dem entgegenzutreten. Neue Preisdaten liefern durchaus gemischte Signale.
Führende Euro-Notenbanker haben betont, dass trotz des erfreulichen Rückgangs der Kampf gegen die hohe Inflation noch nicht gewonnen ist – und folglich auch die Arbeit der Europäischen Zentralbank (EZB) noch nicht erledigt ist. In diese Richtung äußerten sich am Mittwoch und den Tagen zuvor EZB-Präsidentin Christine Lagarde, Vize-Präsident Luis de Guindos und EZB-Chefvolkswirt Philip Lane. Sie nähren damit das Narrativ, dass das aktuell erreichte Zinsniveau noch für längere Zeit beibehalten wird, und dämpfen Spekulationen auf baldige Zinssenkungen. Neue Entwicklungen bei den Erzeugerpreisen im Euroraum verstärkten dies noch.
Die Inflation im Euroraum war im Jahr 2022 bis auf den absoluten Rekordwert von 10,6% hochgeschnellt, woraufhin die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Leitzinsen seit Juli 2022 um 450 Basispunkte und damit so aggressiv wie noch nie erhöht hat. Inzwischen ist die Teuerung deutlich auf 4,3% zurückgegangen – was aber immer noch mehr als doppelt so hoch wie das mittelfristige EZB-Ziel von 2,0% ist. Zugleich schwächelt jedoch die Wirtschaft und Rezessionssorgen nehmen zu. Die EZB hatte im September ihre Leitzinsen erneut erhöht, aber auch signalisiert, dass es das gewesen sein könnte.
Kreditkosten bleiben hoch
EZB-Präsidentin Lagarde sagte nun am Mittwoch, dass die Kreditkosten im Euroraum noch einige Zeit erhöht bleiben werden, um die Inflation einzudämmen. Künftige EZB-Entscheidungen „werden dafür sorgen, dass die EZB-Leitzinsen so lange wie erforderlich auf ein ausreichend restriktives Niveau festgelegt werden“, sagte sie in einer aufgezeichneten Grußbotschaft für eine prominent besetzte EZB-Konferenz zu Inflation und Geldpolitik in Frankfurt. An den Finanzmärkten spekulieren einige Beobachter bereits auf rasche Zinssenkungen im nächsten Jahr.
EZB-Vize de Guindos sagte am Mittwoch bei einer Veranstaltung auf Zypern, dass der unterliegende Preisdruck im Euroraum immer noch hoch sei. Bereits am Montag hatte er erklärt, dass der letzte Weg bis zur Erreichung des Inflationsziels von 2% knifflig werden dürfte. Die EZB habe die Teuerung zwar bereits von mehr als 10% auf 4,3% gesenkt, sagte er der "Financial Times". "Dennoch denke ich, dass das letzte Stück schwieriger werden wird." Die EZB sei auf dem Weg in Richtung 2%. "Aber wir müssen das sehr genau beobachten, denn die letzte Meile wird nicht einfach sein."
Im Blick hat de Guindos dabei unter anderem den jüngsten Anstieg der Öl- und Gaspreise. Das mache die Aufgabe komplizierter. Das verändere die Lage zwar nicht grundsätzlich. "Aber meine Sorge ist, dass der Anstieg des Ölpreises die Inflationserwartungen der Haushalte und Unternehmen negativ beeinflussen könnte." Auf die Frage, was nötig sei, damit die EZB die Zinsen wieder senke, sagte er: "Nun, so weit sind wir noch nicht." Auch Zyperns Zentralbankchef Constantinos Herodotou äußerte sich beunruhigt über die Energiepreise.
Bereits am Dienstag hatte auch EZB-Chefvolkswirt Lane gesagt, dass die EZB in ihrem Kampf um die Eindämmung der Inflation noch nicht nachlassen dürfe. “Der Preisanstieg liegt immer noch deutlich über 2%, wir haben das Inflationsziel noch nicht erreicht, und daher bleibt noch einiges zu tun, um die Inflation zu senken”, sagte er auf einer Konferenz im litauischen Vilnius. Er erklärte zudem, dass die EZB wohl erst Ostern 2024 Klarheit über die Lohnentwicklung im nächsten Jahr haben werde. "Somit wird es noch eine lange Zeit dauern, bevor wir wissen, ob die entscheidende Annahme, dass die Löhne nächstes Jahr langsamer steigen werden, sich als stichhaltig erweisen wird oder nicht." Die Löhne gelten als entscheidend für den weiteren Inflationstrend.
Unterdessen wurde am Mittwoch bekannt, dass die Preise auf Unternehmensebene im Euroraum zuletzt weiter kräftig nachgegeben haben. Im August lagen die Erzeugerpreise 11,5% tiefer als ein Jahr zuvor, wie das Statistikamt Eurostat mitteilte. Es ist der deutlichste Preisrückgang seit dem Jahr 2009. Analysten hatten dies im Schnitt erwartet. Im Monatsvergleich stiegen die Preise jedoch um 0,6%. Im Vorjahresvergleich schlagen vor allem Basiseffekte durch den Ukraine-Krieg zu Buche. Der Anstieg im Monatsvergleich erklärt sich mit dem jüngsten Anstieg der Ölpreise. Dieser schürt teilweise Befürchtungen vor einer zweiten Inflationswelle.