Geldpolitik

EZB hält an Tempo beim Bilanzabbau fest

Die EZB wartet mit der zehnten Zinserhöhung in Folge auf. Der Leitzins liegt mit 4,5% nun so hoch wie zuletzt im Jahr 2001 und der Einlagensatz mit 4,0% sogar so hoch wie noch nie. Die Reaktionen fallen gemischt aus und unklar ist, ob es das nun war. Derweil rückt auch die EZB-Bilanz zunehmend in den Fokus.

EZB hält an Tempo beim Bilanzabbau fest

EZB hält an Tempo beim Bilanzabbau fest

Lagarde: Kein Verkauf von APP-Papieren und kein früheres Ende von PEPP-Reinvestitionen – Kontroverse über Zinsschritt

Die EZB wartet mit der zehnten Zinserhöhung in Folge auf. Der Leitzins liegt mit 4,5% nun so hoch wie zuletzt im Jahr 2001 und der Einlagensatz mit 4,0% sogar so hoch wie noch nie. Die Reaktionen fallen gemischt aus und unklar ist, ob es das nun war. Derweil rückt auch die EZB-Bilanz zunehmend in den Fokus.

ms Frankfurt

Die Europäische Zentralbank (EZB) beabsichtigt derzeit nicht, den Abbau ihrer aufgeblähten Notenbankbilanz zu beschleunigen. Das machten die Euro-Notenbanker am Donnerstag nach ihrer Zinssitzung klar. EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte zum einen, dass die EZB nicht vorhabe, aktiv etwa Staatsanleihen aus dem Anleihekaufprogramm APP zu verkaufen. Zum anderen machte sie deutlich, dass nicht an dem Plan gerüttelt werde, fällig werdende Papiere aus dem Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP bis mindestens Ende 2024 voll zu reinvestieren. Zuvor hatte der EZB-Rat beschlossen, seine Leitzinsen zum zehnten Mal in Folge anzuheben, um erneut 25 Basispunkte.

In den vergangenen Tagen war verstärkt wieder über die EZB-Bilanz diskutiert worden. Die Hardliner ("Falken") im EZB-Rat liebäugeln mit einem schnelleren Abbau der Bilanzsumme. Die Bilanz des Eurosystems aus der EZB und den 20 nationalen Zentralbanken ist vor allem durch die beispiellosen Anleihekäufe in den Krisenjahren erheblich gestiegen. Zeitweise lag sie bei knapp 9 Bill. Euro. Inzwischen ist sie auf knapp 7,2 Bill. Euro gesunken. Hintergrund ist das Auslaufen umfangreicher Liquiditätshilfen aus den Krisenjahren (TLTROs) und das allmähliche Auslaufen der Reinvestitionen fällig werdender Papiere beim APP. Um die Bilanz schneller abzubauen, plädieren einige Falken dafür, die vollständigen Reinvestitionen bei PEPP früher einzustellen.

Bilanzabbau als Ersatzlösung

Besondere Brisanz erhält die Diskussion dadurch, dass ein schneller Bilanzabbau zumindest von einigen als Ersatz betrachtet wird, sollte es bei anhaltend hoher Inflation nicht opportun sein, die Leitzinsen weiter zu erhöhen, weil zugleich die Wirtschaft abzuschmieren droht. Die EZB steckt in einem Dilemma: Einerseits hat sich die Inflation seit ihrem Rekordhoch von 10,6% im Oktober 2022 zwar auf 5,3% halbiert. Das liegt aber immer noch deutlich oberhalb des mittelfristigen EZB-Ziels von 2,0%, und auch die Kerninflation ohne Energie und Lebensmittel liegt mit 5,3% nahe ihres Rekordhochs aus dem Frühjahr. Andererseits schwächelt die Euro-Wirtschaft gehörig und die Warnungen vor einer Rezession nehmen zu.

EZB-Präsidentin Lagarde machte nun aber klar, dass ein schneller Bilanzabbau aktuell keine Überlegung sei. Eine früheres Ende der PEPP-Reinvestitionen sei "nicht diskutiert" worden bei der Sitzung. Sie betonte zugleich erneut die Bedeutung der Flexibilität bei PEPP, falls es zu Problemen mit der geldpolitischen Transmission kommen sollte. Ganz entschieden widersprach sie auch Spekulationen, dass die EZB nicht nur auf die Reinvestitionen bei APP verzichten, sondern auch aktiv Anleihen verkaufen könnte.

Inflationsprognose erhöht

Zuvor hatte die EZB ihre Leitzinsen erneut um 25 Basispunkte erhöht und das mit der weiter zu hohen Inflation begründet. Vor dem Treffen war das Ergebnis völlig offen gewesen – was sehr ungewöhnlich ist. Im 26-köpfigen EZB-Rat war die Erhöhung umstritten. Lagarde sagte nach der Sitzung, dass es eine „solide Mehrheit“ gegeben habe – was auf einige Gegenstimmen hindeutet. Einige Notenbanker sorgen sich um eine Rezession. Die EZB deutete an, dass jetzt der Zinsgipfel erreicht sein könnte, schloss aber auch weitere Zinserhöhungen nicht aus.

Der Schritt entfachte eine lebhafte Diskussion über die Angemessenheit der Zinserhöhung und vor allem über den Ausblick. Der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, etwa lobte die Entscheidung. „Die Zinserhöhung der EZB ist gut begründet. Die Inflation bleibt trotz der konjunkturellen Abkühlung hoch. Für das Jahr 2024 hat die EZB ihre Inflationsprognose erhöht, vor diesem Hintergrund ist die Zinserhöhung folgerichtig“, sagte er. Für 2024 hatten die EZB-Volkswirte ihre Prognose für die Inflation auf 3,2% erhöht (siehe Grafik). Auch viele andere Volkswirte sagten, die EZB habe angesichts der hohen Teuerung kaum Spielraum gehabt.

Kritik kam dagegen von DIW-Chef Fratzscher. „Die EZB geht mit ihrer erneuten Zinserhöhung ein erhebliches Risiko ein. Damit könnte sie dazu beitragen, dass die Wirtschaft der Eurozone in die Rezession rutscht, ohne dass sie die Inflation noch schneller senkt“, sagte er. Die Inflation sei zwar nach wie vor zu hoch, aber auf einem stabilen Pfad, „so dass die EZB ihr Mandat der Preisstabilität in der mittleren Frist wieder erreichen sollte – auch ohne weitere Zinserhöhungen“. Italiens Industrieminister Adolfo Urso kritisierte am Donnerstag, dass die Anhebung der Euro-Wirtschaft "nicht helfen" werde.

Deutlich weniger Wachstum erwartet

Die allermeisten Beobachter rechnen derweil damit, dass mit der neuerlichen Zinserhöhung der Zinsgipfel erreicht ist. „Die zehnte dürfte die letzte Zinserhöhung gewesen sein“, sagte Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust. Auch an den Geldmärkten wird kaum noch von einer weiteren Erhöhung ausgegangen. Dazu trug auch bei, dass die EZB-Volkswirte ihre Inflationsprognose für 2025 etwas und die Wachstumsprognosen teils deutlich senkten (siehe Grafik). Deutsche-Bank-Europa-Chefvolkswirt Mark Wall riet aber zur Vorsicht. „Das ist eine Pause mit geringer Überzeugung. Die EZB behält sich die Möglichkeit vor, bei Bedarf weitere Zinserhöhungen vorzunehmen. Es gibt keine Siegeserklärung zur Inflation“, sagte er.

Zuvor hatte der EZB-Rat erklärt: „Auf Grundlage unserer aktuellen Beurteilung sind wir der Auffassung, dass die EZB-Leitzinsen ein Niveau erreicht haben, das – wenn es lange genug aufrechterhalten wird – einen erheblichen Beitrag zu einer zeitnahen Rückkehr der Inflation auf den Zielwert leisten wird.“ Lagarde betonte aber zugleich, dass die EZB noch nicht sagen könne, dass jetzt der Hochpunkt („peak“) erreicht sei.

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