Geldpolitik

EZB hebt Inflationsprognosen an

Die EZB hat ihre Leitzinsen erneut erhöht und für Juli sogar schon eine weitere Zinsanhebung avisiert. Hintergrund ist die Sorge vor einer zu lange zu hohen Inflation. Der Kurs wird aber zunehmend kontrovers diskutiert.

EZB hebt Inflationsprognosen an

EZB erwartet mehr Inflation

Notenbankvolkswirte heben Projektionen erneut an – Leitzinsen sollen weiter steigen

Einen Tag nach der Zinserhöhungspause der US-Notenbank Fed hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Leitzinsen erneut erhöht und für Juli sogar schon eine weitere Zinserhöhung avisiert. Hintergrund ist die Sorge vor einer zu lange zu hohen Inflation. Der Kurs wird aber zunehmend kontrovers diskutiert.

ms Frankfurt

Obwohl die Inflation im Euroraum zuletzt spürbar und teilweise sogar stärker als erwartet zurückgegangen ist, haben die Volkswirte der Europäischen Zentralbank (EZB) ihre Inflationsprojektionen für die nächsten Jahre noch einmal angehoben. Für das Jahr 2025 erwarten sie nun im Jahresdurchschnitt Raten, die noch ein wenig mehr oberhalb des mittelfristigen EZB-Inflationsziels von 2,0% liegen als zuvor schon. In der geldpolitischen Erklärung des EZB-Rats hieß es am Donnerstag, dass die Inflation „zu lange zu hoch bleiben“ werde. Vor allem deshalb hob der Rat die Leitzinsen erneut an und stellte für Juli sogar schon eine weitere Anhebung in Aussicht.

Die Inflation im Euroraum ist seit dem absoluten Rekordhoch von 10,6% im Oktober vergangenen Jahres bis auf 6,1% im Mai gesunken. Im Mai gab es zudem erstmals einen spürbaren Rückgang der Kerninflation (ohne Energie und Lebensmittel) von 5,6% auf 5,3%. Sie gilt als besserer Gradmesser für den zugrundeliegenden Preisdruck. Diese Entwicklungen hatten Forderungen nach einem baldigen Ende des Zinserhöhungszyklus lauter werden lassen – auch unter den Notenbankern. Und das umso mehr, als die Wirtschaft in eine technische Rezession gerutscht ist. Gleichwohl liegen sowohl die Gesamt- wie die Kerninflation oberhalb des EZB-Ziels.

Aus Sicht der EZB-Volkswirte bleibt dieses Ziel zumindest auf Jahressicht auch auf absehbare Zeit außer Reichweite. Für die nächsten drei Jahre erwarten sie nun 5,4%, 3,0% und 2,2% Inflation (siehe Grafik). Hintergrund der Aufwärtsrevisionen ist vor allem die Erwartungen einer höheren Kerninflation. Für 2025 wird diese Rate jetzt sogar auf 2,3% geschätzt – nach 2,2% in den März-Projektionen. Der EZB-Rat erklärte, dass es bei einigen Indikatoren für den zugrundeliegenden Preisdruck „erste Anzeichen einer Abschwächung“ gebe. EZB-Präsidentin Christine Lagarde ergänzte aber, dass es bei anderen anders sei. Einen nachhaltigen Rückgang des zugrundeliegenden Preisdrucks hatten viele Notenbanker zur Bedingung für ein Ende der Zinserhöhungen gemacht.

Ihre Projektionen zum Wirtschaftswachstum für dieses und nächstes Jahr korrigierten die EZB-Volkswirte nur geringfügig nach unten. Die EZB ist damit optimistischer als viele Ökonomen und auch internationale Organisationen. Im Winterhalbjahr 2022/2023 ist die Euro-Wirtschaft entgegen erster Schätzungen zwei Quartale in Folge geschrumpft.

Vor dem Hintergrund erhöhte der EZB-Rat am Donnerstag seine Leitzinsen erneut um 25 Basispunkte. Das ist die achte Zinserhöhung in Folge und die Anhebungen summieren sich nun seit Juli vergangenen Jahres auf 400 Basispunkte. Das ist in der Geschichte des Euro einmalig. Der aktuelle wichtige Einlagenzins liegt nun bei 3,5%. Mit Blick auf die nächste Zinssitzung am 27. Juli bezeichnete EZB-Präsidentin Christine Lagarde eine weitere Zinsanhebung als „sehr wahrscheinlich“. „Wir denken nicht an eine Pause“, fügte sie hinzu. Damit grenzte sie die EZB auch von der US-Notenbank Fed ab, die am Mittwochabend erst einmal eine Zinserhöhungspause eingelegt hatte (siehe nebenstehenden Text).

Größere Kontroversen zeichnen sich dann für die Zeit nach Juli ab. Die Hardliner im EZB-Rat, die „Falken“, hatten zuletzt auf Zinserhöhungen womöglich auch über Juli hinaus gedrungen. Sie argumentieren mit der weiter zu hohen Inflation und warnen vor der Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale. Die „Tauben“ dagegen mahnen zur Vorsicht und verweisen auf den deutlichen Rückgang der Inflation, die Abschwächung der Wirtschaft und die verzögerte Wirkung der bisherigen Straffung.

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