EZB kippt Kaufobergrenze bei PEPP

Notenbank lässt 33-Prozent-Limit beim Notfallankaufprogramm fallen - "Alle Optionen ausloten"

EZB kippt Kaufobergrenze bei PEPP

Die Europäische Zentralbank (EZB) verleiht ihrem gerade beschlossenen Pandemie-Notfallankaufprogramm PEPP noch mehr Pep: Die Währungshüter verzichten auf die 33-Prozent-Grenze beim Kauf von Staatsanleihen. Die Aufgabe der Kauflimits dürfte zu neuen Konflikten führen – womöglich vor Gericht.ms Frankfurt – Bei ihrem neuen, groß angelegten Anleihekaufprogramm gegen die Folgen der Coronakrise lässt die Europäische Zentralbank (EZB) eine zentrale Selbstbeschränkung früherer Programme komplett fallen – die 33-Prozent-Kaufobergrenze bei Staatsanleihen. Damit erhöht sie die Feuerkraft des Pandemie-Notfallankaufprogramms (Pandemic Emergency Purchase Programme, PEPP) deutlich – insbesondere zur Unterstützung einzelner Länder wie Italien. Zugleich riskiert sie aber neue Konflikte nicht zuletzt mit deutschen Kritikern – und das womöglich sogar vor Gericht.Die EZB hatte das neue Programm mit einem Volumen von zunächst 750 Mrd. Euro bis Jahresende 2020 vergangene Woche angekündigt und damit auch auf die zuvor stark gestiegenen Risikoaufschläge auf italienische Staatsanleihen reagiert. Die EZB argumentiert, dass das die geldpolitische Transmission störe. Sie zielt aber recht unverblümt auch darauf, die Finanzierung der Euro-Staaten zu sichern. Bereits bei der Verkündung hatte der EZB-Rat erklärt, dass er die Kaufgrenzen falls nötig anpassen werde. Das war ein Punkt, gegen den einige im EZB-Rat, wie Bundesbankchef Jens Weidmann, Bedenken hatten (vgl. BZ vom 20. März).Nun kommt dieser Schritt bereits unmittelbar nach Verkündung und gleich in der weitestgehenden Variante. Denkbar gewesen wäre auch eine Erhöhung auf 40 % oder auch 50 % wie bei supranationalen Anleihen. Aus Notenbankkreisen verlautet, dass verschiedene Varianten diskutiert worden seien. Nun fällt die Grenze komplett. EZB relativiert ein wenig”Die EZB wird nicht dulden, dass in einem Land des Euroraums Risiken für die reibungslose Transmission der Geldpolitik bestehen”, heißt es in dem nun veröffentlichten Rechtsdokument – wortgleich mit der Erklärung von vergangener Woche. Beim früheren und weiter aktiven Anleihekaufprogramm Quantitative Easing (QE) bleibt es aber bei der Vorgabe, nicht mehr als 33 % einer Staatsanleihe und eines staatlichen Emittenten zu erwerben.Beobachter werteten die Aufgabe der Kaufobergrenze als wegweisende Entscheidung der EZB. “Kurz zusammengefasst werden mit der Entscheidung praktisch alle Beschränkungen für Wertpapierkäufe beiseitegeräumt, was die Glaubwürdigkeit hinsichtlich der Entschlossenheit der EZB weiter verstärkt”, sagte EZB-Experte Frederik Ducrozet vom Bankhaus Pictet.EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte vergangene Woche nach dem PEPP-Beschluss gesagt, dass es für die EZB “keine Grenzen” gebe, wenn es darum gehe, den Euro zu beschützen. Gestern erklärte die EZB auf ihrer Internetseite zum Start von PEPP und mit Blick auf die Ausbreitung des Coronavirus, sie werde “alle Optionen und alle Eventualitäten zur Unterstützung der Wirtschaft ausloten, um diesem außerordentlichen Schock entgegenzuwirken”. Die PEPP-Käufe starteten gestern.In EZB-Kreisen wurde die Aufregung rund um die Entscheidung zur Aufhebung der Kaufobergrenze hingegen ein wenig relativiert. Angesichts der absehbaren starken Neuverschuldung in nahezu allen Euro-Ländern sei es ohnehin weniger wahrscheinlich als noch vor kurzem, dass die Obergrenze für einen Emittenten den Handlungsspielraum tatsächlich eingeschränkt hätte. Es gehe vielmehr darum, dass es mitunter bei einzelnen Anleihen zu eher technischen Problemen komme, hieß es.Gleichwohl könnte sich der Beschluss als juristisch heikel erweisen. So hatte etwa der Europäische Gerichtshof Ende 2018 in seinem Urteil zu den QE-Käufen auf die Kaufobergrenzen hingewiesen. In Deutschland steht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch aus; es wird derzeit für den 5. Mai erwartet. “Die EZB ist zu einer souveränen Diktatur geworden, die macht, was sie will”, zitierte Reuters den Berliner Finanzwissenschaftler Markus Kerber, einen der Kläger in Karlsruhe: “Die EZB ist praktisch unkontrolliert und unkontrollierbar.”Unterdessen schaltete sich nun auch Ex-EZB-Präsident Mario Draghi in die Debatte über den Kampf gegen die Coronakrise ein. Die europäischen Regierungen müssten den Schock für die Wirtschaft rasch überwinden – auch um den Preis hoher Schulden. Die Alternative wäre eine dauerhafte Zerstörung der Wirtschaft, schrieb Draghi in einem Gastbeitrag für die “Financial Times”.